Impressum

Alle Texte: Jürg Frey (alle eigentümlichen Rechte an den Texten, keine presserechtliche Haftung)

Beratung und Unterstützung beim Einrichten des Blogs: naef-websites.ch

 

Aktuelle Beiträge

Ädäschä

Offene Neugier liess mich vor einigen Jahren hinfahren. Mit der Vespa durch die Schluchten und die Ebenen im Schwarzwald, Erinnerungen an die schnellen Kurvenfahrten mit der Laverda 750 SF. Dort beim Gemeindehaus Todtnauberg war offensichtlich, dass die Gemeinde stolz auf den Philosophen Martin Heidegger ist und ihn als einen der Ihren touristisch nutzt. Mit dem ausgeschilderten und bebilderten Rundweg zu seinen Ehren wird eine akademische Andockstelle für New-Age-Existentialisten betrieben. Ich stieg hoch bis unter die Heidegger-Hütte, wo er sein ekstatisches Werk Sein und Zeit geschrieben hat, das einem die Möglichkeit der Selbsttranszendenz nahe bringt. Er hat die Philosophie selbst zur existentiellen Erfahrung gemacht und ist damit auch Ausgangspunkt des französischen Existenzialismus. Aus den Fenstern der eher schäbigen Hütte hängt das Bettzeug, Heideggers nachfahrende Kinder tollen sich vor dem Idyll. Der sechszackige Holzstern auf der stämmigen Brunnensäule neben dem Haus ist weg. Paul Celan soll bei seinem Besuch 1967 „Herr Heidegger, den Stern lasse ich Ihnen nicht“ gesagt haben, worauf der den Zimmermann für die Motivwahl verantwortlich machte.

Heidegger hatte versucht, die eigene seynsphilosophische Terminologie mit den politischen Entwicklungen zu verknüpfen. Sloterdijk hat auf seinen Denkfehler hingewiesen. Wenn eine subjektive und individuelle Selbsttranszendenz möglich ist, heisst das nicht, das ein politischer Körper so etwas vollziehen könnte. Der Wettersoldat Heidegger, französich genäselt „ädäschä“, hatte schon an der Westfront von der Wiedergeburt des Geistes, der Wahrhaftigen und des Volkes gelallt. Er diente sich den Nazis als Rechtsphilosoph an. Er wurde Führer-Rektor und scheiterte am ersten akademischen Lager.

Pilger wollen ihr Leben in Ordnung oder durcheinander bringen. Ordnung und Fürsorge machen den guten Chef aus. Redbull ist für solche, die der Mama entkommen wollen, erfahre ich aus der Eigenwerbung.

Das Meisterwerk Sein und Zeit ist auf dem Liebesgipfel mit Hanna Arendt entstanden, oben in der Hütte. Sie war allerdings nie dort oben. Sie trafen sich in ihrer Studentenmansarde oder in seiner Freiburger Dienstwohnung. Auf beiden Seiten durfte niemand etwas von ihrer intimen und geistigen Erhebung erfahren. Sie war einfach umwerfend: Eine umfassende Geistesgrösse in jugendlicher Pracht, modische Kurzhaarfrisur, das saftiggrüne Kleid und diese Augen, in die sich die Welt verliebte. Sie verhalf ihm durch die Meisterprüfung, hielt sich auf seinen Wunsch von ihm fern, liess sich aber doch immer wieder heimsuchen. Später wirft sie ihm existentiellen Solipsismus vor. Er verkenne die conditio humana: Der Mensch könne alles mögliche sein, ein „eigentliches Selbst“ aber vermutlich nie. Sie schreibt „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“. Heidegger, der „doch so notorisch immer und überall lügt“, hat vor seiner Frau Elfriede nie geleugnet, dass Hanna „die Passion seines Lebens“ sei, so dass „die Frau, solange ich lebe, bereit sein wird, alle Juden zu ersäufen.“ Ein Schweizer Komponist hat einen Heidegger-Marsch mit der Motivfigur h-e-d-e-g-g-e komponiert, von der Stadt-Kapelle in Messkirch aufgeführt.

Auch der japanische Kaiser veröffentlichte ein anzügliches Waka-Gedicht als yomihitoshirazu, zu Deutsch Verfasser unbekannt. Selbst die japanische Nationalhymne ist ein yomihitoshirazu, das im Jahr 905 erstmals publiziert wurde. Japan liebt die Anonymität; sie hilft, das ich zu nichten. Ken Mogi, Nagomi.

Der Glaube, das Tor zu Gott lasse sich nur von innen öffnen, kann als gesichertes Wissen gelten. Jeder und Jede kann nachschauen. Es steht offen.

In der Manesse-Reihe ist Platons Apologie des Sokrates in Neuübersetzung erschienen, Kurt Steinmann hat im Pfauentheater den Vor- wie den Nachspann selbst vorgetragen. Michel de Montaigne über die dramatische Urszene der abendländischen Philosophie: Wenn ich die Weisheit des Sokrates und verschiedene Umstände seiner Verurteilung betrachte, so wage ich fast zu glauben, dass er ihr durch gewollte Fahrlässigkeit selber Vorschub leistete, da er mit seinen siebzig Jahren schon nahe daran war, das Erlahmen der mächtigen Schwingen seiner Seele und das Erblinden seiner gewohnten Klarheit erleiden zu müssen.

Im Rahmen der universitären BrainFair degustiere ich Brain Food. Vor mir zwei Mütter mit ihren schulpflichtigen Kindern, die sich mit einem Block Papier und einem Kugelschreiber zu unterhalten versuchen. Etwa zehn Prozent der Bevölkerung, etwas mehr Männer als Frauen, werden als Alexithymiker diagnostiziert: Sie haben keine Sprache für Gefühle, sie zeigen Körpersymptome statt Emotionen. Sie weisen einen Mangel an Phantasie und Vorstellungsvermögen auf. Neurologisch zeigen sie rechtshemisphärische Dysfunktionen an. Die Forschung arbeitet dabei mit einem Modell, bei dem nur zwei (Freude, Zuneigung) von acht Gefühlen positiv sind.

Der nächste Forscher behauptet, Sprache verstehen heisse, Sprache vorherzusagen. Im Frontallappen arbeite ein Sprachmodell. Das Gehirn arbeite mit Wahrscheinlichkeiten zur Vorhersage, genau wie GPT. Äussert sich ein Subjekt in schwer vorhersagbarer Sprache, deute das auf psychische Störungen, z.B. gelockerte Assoziationen bei Schizophrenie, wie schon Bleuler wusste.

Ich schluckte noch eine dritte Pille. Schlechte Wortfindung bei Hauptwörtern, oft rasch mit wortreichen Umschreibungen überspielt, weist auf Neurodegeneration im linkshemisphärischen Sprachzentrum hin. Diese alzheimerpathologische Demenz wird verursacht durch fehlgefaltete Proteine. Deren Ursächlichkeit wird zur Zeit erforscht.

Der Schweizer Theologe Karl Barth nannte Hegel einen Philosophen des Selbstvertrauens aus Gottesvertrauen. Hegels Imperativ lautet: Werde, der Du bist – ein mit dem Geist Gottes begabtes Wesen. Beat Wetters letzte Worte: Ich will werden, der ich bin. Früher war Theologie ein Aufbaustudium nach Abschluss des Philosophiestudiums. Seit gut zweihundert Jahren aber weigert sich die protestantische Theologie, Metaphysik zum Thema zu machen. Gott muss vor dem Forum der Vernunft nicht mehr erscheinen. Gott ist ins erkenntnistheoretische Abseits gelangt, obwohl er nichts anderes macht, als sich unablässig zu offenbaren. Eine merkwürdige Theophobie breitet sich selbst in den Kirchen aus. Der Gebrauch des Begriffs Gott wurde allmählich peinlich. Jon Fosse meint, Schreiben sei nicht Kommunikation, sondern eine Art Kommunion. Ein Subjekt hat dann Geist, wenn es erkennt, dass es als Einzelnes zugleich ein Allgemeines ist. Das Zum-Staat-Werden einer religiösen Gemeinschaft schafft immer Probleme, so wird auch Simone Weil gegenüber dem Pater argumentieren, der ihr die Taufe schmackhaft machen will. Am Himmel Space-X-Spiralen. Tanze so lange, bis du eine paarungsbereite Partnerin gefunden hast. Gott entäussert sich an seine Schöpfung, also an die Natur und die Geschichte, und lässt sich damit auf eine Bewegung ein, deren Ziel es ist, dass er zu sich selbst zurückkehrt, um schliesslich „Alles in Allem“ zu sein.

Zwar sei es richtig, dass in der Religion der Mensch in ein Verhältnis zu Gott trete, aber ebenso trete Gott in ein Verhältnis zum Menschen – als Geist. Darum muss Gott nicht nur als Substanz, sondern auch als Subjekt gefasst werden, so Hegel. In der Sündenvergebung vernichtet Gott unsere Nichtigkeit. Hegel verteidigt Anselm von Canterburys ontologischen Gottesbeweis gegen Kant, obwohl er den affirmativen Realitätsbegriff dialektisch erweitert sehen will: Das Sein soll als das vom Begriff immer schon Negierte begriffen werden.

Simone Weils philosophische Theologie fokussiert stärker auf die Offenbarung. „Es ist nicht meine Angelegenheit, an mich zu denken. Meine Angelegenheit ist es, an Gott zu denken. Es ist Gottes Sache, an mich zu denken.“ An Pater Perrin, der sie zur katholischen Taufe führen will, schreibt sie: „Und es ist mein innigster Wunsch, nicht nur jeden Willen, sondern jedes Eigensein zu verlieren.“ Die Kirche verteidigt heute die Sache der unverjährbaren Rechte des Individuums gegen die kollektive Unterdrückung. Aber die Triebfeder des Totalitarismus keimte in der Kirche selbst: Der Gebrauch dieser beiden kleinen Wörter: anathema sit (Kirchenbann, Ausschluss aus der Gemeinschaft und von den Sakramenten – katholische Form der Asebie, wegen der Sokrates zum Tode verurteilt wurde). Die Unvollkommenheit der Orthodoxie liegt in der Anhänglichkeit an die Kirche als ein irdisches Vaterland. Man muss wissen, dass die Liebe eine Richtung und nicht ein Zustand der Seele ist. Die Trinität und das Kreuz sind die beiden Pole des Christentums – vollkommene Freude und vollständiges Unglück.

  1. Der Jesuit und die Bärin Kommentar verfassen
  2. Alltägliche Theurgie Kommentar verfassen
  3. Die Frühaufsteher Kommentar verfassen
  4. Gegen Albaner Kommentar verfassen
  5. Ein Glas Wasser Kommentar verfassen
  6. Tausend Worte, fünf Minuten Lesezeit Kommentar verfassen
  7. Belle du Seigneur Kommentar verfassen
  8. Exzerptiese Kommentar verfassen
  9. Im Prinzip Kommentar verfassen
  10. Alles hat seinen Grund, zufällig zu sein Kommentar verfassen
  11. Word assembling mind craft Kommentar verfassen
  12. Die Idiolektiker Kommentar verfassen
  13. Schrittspannung und Fulguritual Kommentar verfassen
  14. Denkste Kommentar verfassen
  15. Eiersalat (Rohmaterial); Brautsuppe ohne Eierstich Kommentar verfassen
  16. Mäxchen Maximilian Kommentar verfassen
  17. Alphapferd auf Anacapri Kommentar verfassen
  18. Dahin gehe ich Kommentar verfassen
  19. Können Hunde Schlüsse ziehen? Kommentar verfassen
  20. Dekalog der Hundertwortziffern Kommentar verfassen
  21. Daimon Philomania & Furor Amantis Kommentar verfassen
  22. Wir Kuponschneider Kommentar verfassen
  23. Der Stiefograf Kommentar verfassen
  24. Cäcilia und das Dreiminuten-Ei Kommentar verfassen
  25. vaticana † Kommentar verfassen
  26. Tourette à Tourtour Kommentar verfassen
  27. Wer bin ich Kommentar verfassen
  28. Die Wartauer Gegenreformation Kommentar verfassen
  29. Dorther komme ich Kommentar verfassen
  30. त्रिमूर्ति Dreiheit Kommentar verfassen
  31. Der Sandmann Kommentar verfassen
  32. Den Geist anknipsen Kommentar verfassen
  33. G. Balsamo di Palermo aka Cagliostro Kommentar verfassen
  34. Mt. Titano Kommentar verfassen
  35. Sakralien Kommentar verfassen
  36. Carnivolitäten Kommentare deaktiviert für Carnivolitäten
  37. Denk ja, sag nein Kommentar verfassen
  38. Junge im Mondlicht Kommentar verfassen
  39. Epilog: Mahlers Licht Kommentar verfassen
  40. ⌈ Louis Philippe ⌉ Kommentar verfassen
  41. Paineliche Staatsreligion Kommentar verfassen
  42. Diagnose: Dolor dolus eventualis 1 Kommentar
  43. In der Vespasienne 1 Kommentar
  44. Die Dinge und der Denkierer Kommentar verfassen
  45. Der Schlüssel zum Bart Kommentar verfassen
  46. Endlich immatrikuliert! Kommentar verfassen
  47. Vormaliges Gemüt Kommentar verfassen
  48. Satzsprung Kommentar verfassen
  49. Beutels Erbeutung Kommentar verfassen
  50. Allerhöchstdieselbe Kommentar verfassen
  51. Das steht hier: Kommentar verfassen
  52. Sonnenbergs Landsgemeinde Kommentar verfassen
  53. Anständig sterben auf Reisen 1 Kommentar
  54. Master and servant Kommentar verfassen
  55. Hochjagd auf Drohnen Kommentar verfassen
  56. Status quo der tausend Worte Kommentar verfassen
  57. Gemeinverstand Kommentar verfassen
  58. Seppitag Kommentar verfassen
  59. Padouk und Banyan Kommentar verfassen
  60. Der Autophag Kommentar verfassen
  61. Amor fati Kommentar verfassen
  62. Coinflip Kommentar verfassen
  63. Meine Self-Agency Kommentar verfassen
  64. wohlangetan Kommentar verfassen
  65. Die Weltseele Kommentar verfassen
  66. Formelzeichen: α Kommentar verfassen
  67. mutmasslich mutwillig Kommentar verfassen
  68. Das Opferlamm Kommentar verfassen
  69. Daheimimschlossgarten Kommentar verfassen
  70. Es geschieht am 30. August! Kommentar verfassen
  71. Die Sternschnuppe Kommentar verfassen
  72. #GodAndNation Kommentar verfassen
  73. Willkommen in der Sonderzone! Kommentar verfassen
  74. Lakhsige Herkunft Kommentar verfassen
  75. Urheber Kommentar verfassen
  76. Aljoscha auf Hiddensee Kommentar verfassen
  77. Die beste aller möglichen Welten Kommentar verfassen
  78. Sr. Jessica Kommentar verfassen
  79. Theogonie, Troja: Schrott! Kommentar verfassen
  80. Statt Mammon: Freistatt Kommentar verfassen
  81. Afferente Affektionen als emergierende Emotionen Kommentar verfassen
  82. Götter, Geschlechter und Bigotte Kommentar verfassen
  83. Männergeschichten Kommentar verfassen
  84. Vertraulich Kommentar verfassen
  85. Grundloses Bindungsübereinkommen Kommentar verfassen
  86. Das Meer liegt richtig Kommentar verfassen
  87. Scire suscipio, ergo credo Kommentar verfassen
  88. Von Opferattentätern & Selbstmordschläfern Kommentar verfassen
  89. Die Zeit der Zönästhopathen Kommentar verfassen
  90. Weisse Mentholzigaretten Kommentar verfassen
  91. Auriger Nonseq – jetzt die Buchbesprechung! Kommentar verfassen
  92. Cardiocrinum: Eine Songbesprechung Kommentar verfassen
  93. Sjhl Kommentar verfassen
  94. Ohnesorg gerät in Gender- und andere Probleme 1 Kommentar
  95. Hrbst 1 Kommentar
  96. Moment, bitte! 1 Kommentar
  97. wilhelm.schmid@lebenskunstphilosophie.de Kommentar verfassen
  98. Das Museumswachauge Kommentar verfassen
  99. Nullzinspolitik Kommentar verfassen
  100. OMG Kommentar verfassen
  101. Privatgesagt Kommentar verfassen
  102. Metainterview Kommentar verfassen
  103. Siesta Kommentar verfassen
  104. Bildersturm Kommentar verfassen
  105. alexis.tsipras@gov.gr Kommentar verfassen
  106. Ein weiteres Definitivum Kommentar verfassen
  107. Die Textur meines Gartens oder Variation der Reflektanz Kommentar verfassen
  108. Mathemetaphysik Kommentar verfassen
  109. Calendula Kommentar verfassen