Alles hat seinen Grund, zufällig zu sein

Wenn Du zu viel Sauerstoff einatmest, hast Du weniger Sauerstoff im Blut. Das ist der paradoxe Bohr-Effekt. Kapische? Quarks und Quanten!

Nachahmung seiner selbst ist das Paradox von Originalität und Nachahmung in derselben Person. Man bringt sein Leben damit zu, den einen oder anderen Einfall zu wiederholen, den man gelegentlich hatte.

Die Russelsche Antinomie ist rein formaler Natur und bedeutete das Ende der naiven Mengenlehre: Angenommen, {\displaystyle \,R}\,R enthält sich selbst, dann gilt aufgrund der Klasseneigenschaft, mit der {\displaystyle \,R}\,R definiert wurde, dass {\displaystyle \,R}\,R sich nicht enthält, was der Annahme widerspricht. Angenommen, es gilt das Gegenteil und {\displaystyle \,R}\,R enthält sich nicht selbst, dann erfüllt {\displaystyle \,R}\,R die Klasseneigenschaft, so dass {\displaystyle \,R}\,R sich doch selbst enthält entgegen der Annahme. Selbstreferenzielle Entleerung

Wenn wir die Enge des Lebens akzeptieren, dann wird es weit. Schreibt Bruder Anselm Grün 

Nach Gottfried Wilhelm Leibniz gibt es eine unendliche Anzahl möglicher Welten. Von diesen hat Gott nur eine geschaffen, nämlich die vollkommenste. Leibniz argumentiert: Gottes unendliche Weisheit lasse ihn die beste unter allen möglichen Welten herausfinden, seine unendliche Güte lasse ihn diese beste Welt auswählen, und seine Allmacht lasse ihn diese beste Welt hervorbringen. Folglich müsse die Welt, die Gott hervorgebracht hat – also die tatsächlich existierende Welt –, die beste aller möglichen Welten sein. Und jede Form des Übels ist letztlich notwendig und erklärbar, so die frühaufklärerische Theodizee.

Dagegen brachte der Philosoph Streminger verschiedene Einwände vor. Ohne Zusatzüberlegungen enthalte Leibniz’ Argumentation eine Petitio Principii. Leibniz stützt seinen Hauptsatz auf die Weisheit und Güte Gottes. So wird das, was erst noch zu beweisen wäre, bereits als erwiesen vorausgesetzt. Die argumentative Figur, eine Behauptung durch Aussagen zu begründen, welche die Behauptung als wahr voraussetzen ist ein circulus in demonstrando: begging the question.

Der Zirkelschluss funktioniert, weil der Zirkelschluss funtioniert. Ein Worträderwerk circular reasoning works because. Hier liegt kein Fehlschluss vor, aber es handelt sich nicht um einen aristotelischen Beweis: Wenn die Prämissen des Beweises von der Konklusion nicht verschieden sind, ist der Satz vom zureichenden Grund verletzt. In der nicht-formalen Logik wird Petitio Principii hingegen häufig als alltägliche Argumentationsfigur anerkannt: Man darf das sagen.

Christliches Paradox: Jesus ist ganz Mensch und ganz Gott. Gelöst im christologischen Dyophysitismus ohne Minderung der dualistischen Strenge.

Alle Bücher führen nur weiter, was andere Schriftsteller verschmäht haben. 

Eine Welt ausserhalb der Bücher ist gar nicht denkbar. 

 Und wirklich, Sokrates blieb stehen, bis es Morgen wurde und die Sonne aufging! Dann verrichtete er sein Gebet an die Sonne und ging weg.

Man muss sich töten, um schreiben zu können. Burger, der das genau umgekehrt gemacht hat: Er musste schreiben, um sich töten zu können.

Gastmahl in Athen, an dem nach der Auflösung eines sophisma gefragt wurde, das lautet: „Wenn ich lüge und dabei sage, dass ich lüge, lüge ich dann oder sage ich die Wahrheit”? Ich habe das Gefühl zu lügen, wenn ich Ich sage. Identität ist eine notwendige Lüge. Ich lüge, wenn ich sage, ich lüge. Performanz. Ab dem späten 12. Jahrhundert wurde eine neue Wortbedeutung geläufig. Ein Sophisma ist nicht mehr ein Trugschluss, sondern ein Satz, der als Rätsel (enigma) oder Dunkelheit (obscuritas) erscheint. Kreterlüge 🙂 An den Universitäten von Paris und Oxford waren im Spätmittelalter Debatten über Sophismata obligatorische Übungen. Die grosse Kunst besteht darin, die Wahrheit zu sagen, indem man über sie lügt.

Der Wettlauf von Achilles und der Schildkröte (letztere mit etwas Vorsprung), das Pfeilparadoxon und ähnliche vorsokratische Intelligenztests sind logisch korrekte Schlüsse, aber Unsinn, weil sie ohne die Zeitdimension argumentieren. Sie bleiben geometrisch und setzen auf den unendlichen Regress als Argument im indirekten Beweis: Tangentiallogik.

Eine Halbierung verdoppelt (die Anzahl); die Verdoppelung halbiert (den Wert).

Wir nehmen auch Mitglieder auf, die nicht aufgenommen werden wollen, wie  Marx. 

Es ist paradox, dass Fachholschulen, die selber nur Master-Abschlüsse verleihen können, für die Einstellung in höhere Führungspositionen einen klassischen universitären Doktortitel verlangen. So bleibt die Clique der Doktorierten auch ausserhalb der Akademie unter sich. Klassenpolitik, Klassismus.

Stuart-Hall-Paradox: Wir wissen, dass race ein Konstrukt ist, aber mit unseren Augen nehmen wir trotzdem Unterschiede in Hautfarbe und Haarstruktur wahr. Denn die zugrundeliegenden Realitäten sind eben nicht an und für sich real. Der Frontallappen zieht sich angewidert zusammen.

Klassen-, Rassen-, Geschlechter- oder Identitätstheorie: Seit der haitianischen Revolution und der Machtergreifung der aus der Subsahara versklavten Selbstbefreier wissen wir um die Praxis des politischen Konstruktivismus: Die white supporter wurden per Verfassung PoC. Nach Sex und Gender haben wir nun ein drittes identitäres Geschlecht, ein Ich-haftes, das nach Anerkennung lechzt.  

Kein formales Scheinparadox: Mathemathik ist in geometrischen Figuren entdeckt und durch Zahlen erfunden. Staatlicher Investitionsanreiz ist Reizwäsche für den privatwirtschaftlichen Kapitalismus. Der Gewaltapparat der Macht garantiert die Zivilgesellschaft, bis hin zur Durchsetzung von medizinischen Zwangsmassnahmen. Wieviele Haare muss ich Dir aus der Mähne zupfen, bis du ein Kahlkopf bist, du Scheisshaufenparadox. 

Ein Mönch fragte Tozan: ‚Was ist Buddha?‘ Tozan antwortete: Masagin 麻三斤 – Drei Pfund Flachs. Das Wort steht, wenn der Buchstabe sitzt.

Maggis Leguminosenfertigsuppe und Birchers Hafer-Frucht-Müesli gingen von  den für ihren exzessiven Fleisch- und Weinkonsum berüchtigten Zürcher Zunftstuben aus. Dies Paradox rundet die Chronik von Überfluss und Bedürftigkeit (ab). H.P. Treichler +

Erlebnisparadox: Natürlich waren neben Erregern auch 1 Medikament, 1 Drink und 1 Joint mit im Spiel, beim Ohnmachtsanfall mit Schädelbruch und gequetschtem Hirn. Aber Auslöser war eindeutig das ausgeprägte Wohlbefinden und die mentale Gewissheit, dass alles wieder glücklich verlaufe. Er liess sich gehen

Ich fuhr im Süden von Graz mit dem Rad herum und hörte mir den Sound eines Fisting-Videos an. Dazu der Anblick der Nordicwalker und Jogger. Hinterher breitete sich ein paradoxer Frieden in mir aus. C.J. Setz

Vasilij wird in Wladiwostock den russischen Grenzsoldaten übergeben, aber die lassen ihn nicht rein. Wegen Bolschewismus aus Japan ausgewiesen, wird er von diesen nicht hereingelassen, weil seine politische Gesinnung nicht nachweisbar ist.

Das Absolute selbst ist darum die Identität der Identität und der Nicht-Identität. Hammer, Hegel. Das einzige Gesetz, auf das ich wirklich stosse, ist die Paradoxie. Das Paradox liegt im Gesetz selbst. Danke, Connie.

Word assembling mind craft

Was hat der da gemacht? Wenn die Aargauer Polizei wieder einmal dem rasenden Dichter das geltende Tempolimit vorhielt, ulkte er aus seinem Boliden Ferrari humanum est. Der Künstler ist der einzig echte Scheintote; mit dem Ziel, Sprache zu haben über den Tod hinaus;

Ein aufgepeitschtes Winterfeuer. Nach der Lektüre des Tractatus hätte man darauf gewettet, dass er sich zu Tode jage; gegen eine Wand; gegen die künstliche Mutter. Robert Walser hielt er für kleinmütig, weil er nicht Selbstmord beging. Walser starb auf einem Spaziergang, im Schnee. In seinem ersten Roman hatte er den Dichter Sebastian genau so sterben lassen. Burgers Text ist Schaulaufen auf einbrechendem Eis, sein Tod ein Eigentor mit Ansage. Tod am Küchentisch, das Poetenhaupt auf die robuste Armbanduhr geknallt.

Wenn ich ein Bücherschreiber wäre, legte ich ein kommentiertes Register der verschiedenartigen Tode an, schreibt Montaigne, der seine letzten Jahre im Schlossturm mit seinen Essais zubrachte. Philosophieren heisst sterben lernen, notiert er, Cicero. Die emotionale Befreiung wandelt sich zur kognitiven Obsession. Burger konnte sich kognitiv nur befreien durch die emotionale Obsession, sich selbst zum verschwinden zu bringen. Montaigne verstarb während einer Messe in der Schlosskapelle.

Die freiwillige Exit-Sterbebegleiterin weiss, was die assistierten Suizidierenden* vor dem selbstgewählten Freitod noch zu sagen haben: Bitte schliessen Sie nachher das Fenster. Und: tragen Sie dann bitte den Müllsack vors Haus. Machen wir. Der Rest sind Formalitäten. Wir zählen in der Schweiz täglich etwa hundertundachtzig Todesfälle, davon fünf Suizide, drei allein durchgeführt (davon zwei, manchmal auch drei Männer), zwei assistiert erfolgt (öfter mal beides Frauen). Soviel zum sterbenden Sternchen;

Nietzsches Zarathustra meint, man müsse die schwere Kunst üben, zur rechten Zeit zu gehen: Das Ideal, jederzeit Schluss machen zu können. Cioran doppelt nach: Man ist zum Selbstmord nicht vorbereitet, sondern vorbestimmt. Wer Selbstmord begeht, wird zum Bruder Hitlers (Burger). Die voluntaristische Welt ist dunkel, die Aussicht auf eine Kongruenz mit ihr illusorisch, das Erkennen trügerisch. Der Mensch muss sein Leben und sein Sterben wählen, gestalten, als Projekt erkennen.

Was aber für die vom Feuerwerk des logischen Verschwindens Verdutzten nicht recht zu seinem finalen opus magnum passen wollte: der Zeitpunkt des Todes. Denn gerade war der erste Teil seines auf vier Bände angelegten Zeit- und Zigarrenromans „Brenner“ veröffentlicht worden. Hermann Burgers Mentor und Bewunderer, der angegreiste Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki merkte an, dass ein Schriftsteller mit einem gerade veröffentlichten Buch sich eigentlich nicht umbringen würde. Er schien den angekündigten Suizid für einen mystischen Unfall zu halten. 

Aber er hatte eine tödliche Überdosis Vesparax genommen und genau das in seinem Traktat beschrieben; die Geschichte nicht nur vorausgesagt, sondern mit der eigenhändig aufgegebenen Todesanzeige, die am Tag danach, als der erste Brennerroman erschien und er selbst tot war, eigentlich alle Zweifel ausgeräumt. Kaspar Villiger, dem der erste Stumpenroman gewidmet ist, wurde eben in den Bundesrat gewählt. Am Tag der Urnenbeisetzung erschien im Brückenbauer eine Fotostrecke, worauf er fotodokumentarisch aufzeigt, wie er sich selbst wegzaubert. 

Unser Ziel ist Pararealität, nicht Imitation der Wirklichkeit. Mit seinen Erfindungen … begegnet der Schriftsteller den schallenden Ohrfeigen vollendeter Tatsachen. Vollendete Tatsachen sind eine Ungeheuerlichkeit für einen kreativen Menschen.

Das Vorwort zum Traktat schildert zum Schluss, wie der von der Polizei identifizierte Hermann Burger in der heimeligen Ernst Zahn-Stube im Bahnhofbuffet Göschenen den ersten Satz seiner aktuellen Textarbeit – ebendieses Vorwortes – überprüft. Dieser Erster-Satz-Schluss besagt, dass das Erzähl-Ich Amandus Conte Castello Ferrari heisst und zu Protokoll gibt, was ich weiss. Die Gestalt des Herausgebers zieht sich in ihrer narrativen Funktion dermassen zurück, dass sie sich der auktorialen Perspektive annähert.

Amandus lässt wissen, dass in der Nacht vom 13. zum 14. Januar 1988 alles auf einen kalten Suizid hinwies, also ankündigungslos geplant und durchgeführt. Man hat in seinem leeren Zimmer mitten in der Nacht die Schrift Anleitung zum Selbstmord auf dem Kopfkissen gefunden, zudem das Manuskript tractatus logico-suicidalis, das aus totologischer Sicht den Suizid als unausweichlich behauptet, gleichzeitig als revolutionäre Tat feiert. Der Gemeindepräsident bildet einen Krisenstab. Die eine Abteilung sucht das Gebiet vom Teufelsstein bis zum Urnerloch ab, die andere studiert die gefundenen Schriften. Kaplan Flurlinger, der sich bei der Wirtin Inäbnit nicht nur die zurückgeschobenen Reste des Schriftstellerabendmahls vorsetzen, sondern auch den zuckenden Schwanz stillen liess, kommt nach der Lektüre des Traktats zum Schluss, dass, wer ein solches Manuskript hinterlässt, sich nicht umbringt; um dann darüber zu sinnieren, dass dem Erhängten eine Ejaculatio finalis vergönnt sei. Auch der Talschaftsarzt folgert, dass es wohl bei der Ankündigung bleibe, obwohl er vom psychiatrischen Berater des Verschollenen erfahren hat, dass der Auszug der Ehefrau samt Kind, die Kündigung seiner Redaktionsstellung, eine lange endogene Depression und imaginierte Impotenz traumatische Erniedrigungserfahrungen ausgelöst haben könnten. 

Habe ich ein reiches und gutes Leben gehabt, in dem ich den Lebenshunger stillen konnte und nun zufrieden und satt bin? Geriatrie und Gerontologie stellen eine Zunahme von schamvollen Formen des Sterbens fest, nach längerem und zunehmenden Fremdabhängigseins. Neuere Studien legen nahe, dass Menschen erst sterben können, wenn gemeinsam entschieden wurde, dass man sie sterben lässt. Sterben scheint zur Aufgabe eines medizinischen Managements geworden, aber gerade dadurch müssen wir mitbestimmen, wir wir sterben möchten. Der medical end-of-life decisions sind gar viele und die meisten Todesfälle sind heute mit oder durch medizinische Lebensende-Entscheidungen erwirkt. 

Am frühen Morgen findet man das Schlafzimmer des Verschollenen immer noch leer, aber Wachtmeister Flimser hat ihn in der Zahnschen Stube schreibend beim Frühstück gesichtet. Kapo Tschuor lässt sich beeilt den Pass zeigen, gültig bis zum 11. März 1990. Die Nacht will er in der Kammer der Serviertochter Ursula verbracht haben. Ja, der Tractatus sei von ihm, er schreibe an einem autobiographischen Text zum Tractatus mit dem Titel Die weisse Hölle. Nein, er erkäre darin nicht, wie es zum Tractatus gekommen sei: der Poet redet nicht, er stellt dar; schaut nur;

Deutungsverzicht und exegetische Askese im Schreibprozess sind Bedingung künstlerischer Produktivität: Kannitverstan in eigener Sache. Wer Burger liest, fährt ungebremst.

Ich sterbe, also bin ich. Was zu beweisen war. Finis. Mit dieser Trilogie von Totologismen endet das Traktat des Verausgabungskünstlers und Proto-Popschriftstellers. Andere Mortologismen sind weniger schlüssig. Gelegentlich wird das Ich zum Patienten-Wir, komplementär zum pluralis sanitatis. Metadiskurs und poetologische Reflexion verengen sich zum Kollaps. Er weiss nichts von den Sterbehotels in Varanasi und Jerusalem; er fordert Selbstmordschulen und Exit-Institute. Er beschreibt das Traktat als die einmalige Begründung eines einmaligen Suizids.

Unser Tod ist nichts Einmaliges, nichts Besonderes, er ist das Allgemeinste und Natürlichste in der Welt des Lebendigen: Wolfgang Welsch, Professor der theoretischen Philosophie, zuckt die Schultern. Die Voraussetzung in These eins ist falsch. Vermeintlich vorsätzliche biologische Ermordung entpuppt sich im Vollzug als natürlicher Tod.

Er hatte notiert, den Anschlag auf das eigene Leben aus der tragischen in die komische Sphäre hinüberzuretten zu wollen. Thomas Bernhard berichtet von einem bekannten Komiker, der auf einem Felsvorsprung über der Salzburger Pferdeschwemme in einer plötzlichen Anwandlung zu einer bayerischen Ausflüglergruppe gerufen habe, er werde sich gleich in Lederhose und Tirolerhut in die Tiefe stürzen, worauf die Bayern laut lachten. Als er sprang, lachten sie einfach weiter.