Schreiben ist lautes denken und darum sehr unzuverlässig. Aber das gilt nur für das Gelesene – das Geschriebene selbst ist evident, valide und mit hohem Konfidenzniveau höchst verlässlich. Geschriebenes Selbst. Denken wird durch Wahrnehmungen, Gefühle oder willentlich losgetreten. Vorstellungen kreieren, Erinnerungen beschwören, Theoreme in- oder deduzieren. Denken setzt am wuchernden Begriffsrhizom an, verknüpft das Diffuse sprachlogisch und grammatisch und bettet damit das denkende Subjekt in die objektive Gedankenwelt. Denkend versucht der Mensch den Gegensatz zwischen subjektivem Meinen und objektiver Sachlichkeit aufzuheben: Im hermeneutischen Zirkel oszilliert die Denkhaltung. circular reasoning works because da capo
Ursächlich war die Verschriftung ein Prozess der Visualisierung sprachunabhängiger Begriffe, nicht sprachlicher Zeichen.
Die abgeklärten Kränkungen des Menschen: Kosmologisch ist die Welt ein Kügelchen mit einem Schimmelüberzug lebender und erkennender Wesen. Biologisch ist der Mensch ein Tier, bei dem Intelligenz mangelnden Instinkt und systemische Unpassung kompensieren muss. Die psychologische Demütigung: Unser eigenes Ich ist nicht Herr im eigenen Hause. Das zu-Denkende entzieht sich dem Menschen und zieht ihn mit. Es denkt.
Selbst die Edelleute auf ihrer Stube zum Rüden verschmähten es nicht, die wunderliche Gestalt einzulassen, und die wirklichen Ritter gewöhnten sich sogar mit tieferem Humor daran, den Mann im Ottergewande als ein Sinnbild und Wahrzeichen der Nichtigkeit aller Dinge zu ihren Gelagen zu ziehen. Süsse Otterpfötchen Man muss mit der Wirklichkeit einen Kompromiss schliessen, der einen vor ihren Zumutungen schützt.
Das seelische Ich ist nicht das empirisch individuelle Einmalige, sondern die aktive Kraft des Selbstgewahrwerdens, unterhalb des Ich-Gefühls, eine pulsierende Ichheit. Kants Ding an sich ist nicht mehr, im subjektiven Idealismus wird es zum Ding für uns. Das Ding an sich ist nun in uns als Freiheit, mit der das Ich jeden Augenblick aus eigener Kraft anfangen kann zu sein. Das bessere Bewusstsein erhebt Schopenhauer in eine Welt, wo es weder Persönlichkeit noch Kausalität, weder Objekt noch Subjekt gibt. Die altdeutschen Mystiker nicken und heben den Blick. Die Senkrechte: sie bringt einen nicht ins alte Jenseits, sondern ins Zentrum des Hier und Jetzt.
Den Pythagoräern ist die Zahl vierzehn heilig. Zehn ist die Summe von eins, zwei, drei und vier; dazu die Vierheit der Grundelemente, Himmelsrichtungen, Körpersäfte, Temperamente. Geschmäcke. Der katholische Kreuzweg umfasst vierzehn Stationen. Die dreizehnte ist die Pietà, welche in den Evangelien fehlt, wie bei deutschen Eisenbahnzügen der dreizehnte Wagen. Die vier gilt nun als Zeichen des Irdischen, im Gegensatz zur himmlischen Trinität. Hegels Weltgeist steigt über vierzehn Stufen, zuoberst das absolute Wissen, die Selbsterkenntnis. Aurobindos Bewusstsein entwickelt sich sieben mal. Nietzsches Übermensch macht Yoga und wird zum superman mit supermind – kein ichhaftes Übermenschtum, sondern integrale Selbsttranszendenz.
Die eigentliche metaphysische Tätigkeit, willenlose Erkenntnis, ist eine ästhetische Haltung, die Verwandlung der Welt als ein Schauspiel, das sich mit interesselosem Wohlgefallen betrachten lässt.
Die Welt als Vorstellung und Wille ist dasselbe wie das Maja und Brahma der Upanishaden. Das Subjekt des Erkennens kann sich selbst niemals erkennen. Wenn das Erkennen sich selbst erkennen will, es also zum Objekt macht, muss das erkennende Subjekt vorausgesetzt werden. Reflexionsphilosophie führt zu Verdoppelungen und Endlosschleifen. Aber wenn das Ding an sich nicht im denken liegt, sondern in einem naturkräftigen Willen, so muss das Ziel in dessen Verneinung liegen, folgert Schopenhauer.
Die Selbsterfahrung des eigenen Leibes ist der einzige Punkt, wo ich erfahren kann, was die Welt ist, ausser dass sie meine Vorstellung ist. Die unmittelbare Selbsterfahrung des Willens lässt uns eintauchen in eine Dimension, die unter dem principium individuationis liegt. In seinen Berliner Notizen findet sich der inoffizielle Subtext zum Prinzip des Willens: Wollust im Akt der Kopulation. Das ist es! Das ist das wahre Wesen und der Kern der Dinge, das Ziel und Zweck allen Daseyns. Die Geheimkladde εις εαυτόν, Unterhemd und Leibchen.
Besonders die Pflanzenwelt fordert zur ästhetischen Betrachtung auf. Da das Grünzeug nicht erkennen kann, will es erkannt werden. Wenn Proust den Anblick der Weissdornhecke erzählt, so sind Augustin und Schopenhauer Geistesverwandte in der Kunst des stummen Gesprächs mit Botanischem. Der grüne Wille spricht zu uns, wenn wir hinschauen.
Er zieht sich die gestrickte Denkmütze über den Schädel, wenn ein reales Problem gefunden ist, das mit einer eleganten Lösung beschenkt werden soll. Über der Stirn das weisse Band, das erlaubt, vom weissen Blatt auszugehen. Zuoberst blau wie der Himmel, mit dem moderativen Überblick. Darunter das rote Feuer der Emotion, neben dem schwarzen Teufelsadvokat. Getragen von goldigem Optimismus und grünem Wachstum. Und lila, sanskritisches Spiel.
Das Denken sieht sich, ohne religiöse Verankerung, vor die Aufgabe gestellt, die Seinsvergewisserung aus sich selbst hervorzubringen. Das Denken hat mit dem Sein-Können zu tun. Was aber ist, das erleben wir nur mit unseren Sinnen. Die mit dem ganzen Körper erlebte Liebe verbürgt uns die Wirklichkeit jenseits unserer Körpergrenze. Die körperlichen Sinne sind das Organ des Absoluten (Feuerbach). Marx stellt dann den Gesellschaftskörper ins Zentrum, der in hegelianischer Vervollkommnung und Vollendung Kommunismus wird und die Philosophie aufhebt.
Nietzsche hat amor fati fälschlicherweise als genitivus objectivus verstanden, im Sinne wir sollen das Schicksal lieben. In Wahrheit ist das Schicksal dasjenige, das Dich liebt. Es steht Dir frei, die Liebe zu erwidern. Wenn, dann am besten in spinozistischer amor intellectualis Dei. Wir wissen erst dann, was wir wollen, wenn wir schon gewollt haben. Wenn es aber im Handeln keine Freiheit gibt, so muss sie im Sein liegen.
Das grosse Glück wollen ist die Voraussetzung, es zu erfahren und als Grundlage des Erlebens einzuverleiben. Die Bewegung zum unum, hin zum Einen, führt zu Glaubens- und Denkformen, die das Absolute und das Unendliche einschliessen. Diese Schönheit wird durch Deradikalisierungsprogramme wie Normalisierungsprozesse auf die Probe gestellt. Heute sucht man das Gespräch mit seinem Unbewussten, das plötzlich hemmungslos alle Geschichten ausplaudert, die wir ihm zuvor beigebracht haben.
So bleibt Dir nichts als ständige Neuinszenierung. Dabei geht es Dir weniger um den Eindruck, den Du äusserlich hinterlässt, sondern um die situative Passung deines Ausdrucks. Dabei verschwindet das Meta-Ich, das gerne moderiert und kommentiert. Du erlebst Deine Aufmerksamkeit nicht mehr als Funktion Deines verkörperten Ichs. Die Intensität des nunc stans kann nur verschwinden, weil wir daraus verschwinden. Die kristalline Klarheit der Ekstase ist eine Euphorie des Auges, dem vor lauter Sehenkönnen die Gegenstände verschwinden.