त्रिमूर्ति Dreiheit

Er hat die ganze Stirn mit Asche eingerieben, das ist ausdrucksstärker, wenn auch weniger ansehnlich als ein oder drei waagrechte Striche. Fahles weiss, um die Vernichtungskraft wie das Unzerstörbare auf sich zu tragen. Ein Memento mori wie auch Zeichen der göttlichen Seele. Tempelbesuche sind seine Leidenschaft, dafür vergisst er auch mal einen Fahrgast. Das Fenster auf der Fahrerseite ist immer offen, der Fahrtwind schmeichelt dem Berufsstolz. Von weitem schon sieht man den Arulmigu Subramanya Swami Temple in Maruthamalai, auf dem ersten Hügel der Westghats. Am Fusse der grünen Erhebung eine staubige Budenstadt, Erfrischungsgetränke, Knabbereien, Früchte, Helgen und Modeschmuck vor rötlichem Ocker. Er lässt das Fenster auf der Beifahrerseite runter, um dem Uniformierten an der Schranke einen Geldschein zuzustrecken. Am Strassenrand vereinzelt sonnengegerbte Männer in schmutzigen Lunghi, einfachen Hüfttüchern, in der Hand eine Sichel, mit der sie gelegentlich irgend ein Kraut vom Blütenteil befreien oder im Boden kratzen. Auf dem Parkplatz ein Schwarm rosa uniformierter Studentinnen, schwatzend und kichernd, die Hände zum Tempel gestreckt. Im Schatten eines Banyan ein dunkler Jüngling mit schneeweissem Lächeln, auf seinem schwarzen T-Shirt steht I chill harder then you party. Unter den Luftwurzeln sitzt eine schmatzende Familie. Er geht die Treppen hoch, schreitet rasch in die Höhe, durch den Torbogen in den Tempelhof. Absperrstangen lotsen ihn im Zickzack zum Ende der Menschenschlange. Nun geht es langsam, vorbei am Wachmann mit grimmigen Augen und schussbereitem Gewehr. Die Köpfe recken sich, um einen Blick auf das sanctum sanctuorum in der kleinen Höhle zu werfen. Der Priester dreht sich weg und geht ins Innerste, ein Glöcklein wird wild geklingelt, der Messingteller mit der Öllampe umrundet Muruga dreimal, gegen den Uhrzeiger. Muruga ist der Gott der Hügel und des Honigs und hilft auch solchen, die sich die Fertilitätsklinik nicht leisten können. Der Priester wendet sich wieder zur den Gläubigen, die langsam an ihm vorbeischreiten, mit beiden Händen die Wärme des göttlichen Lichts sich über den Kopf giessen und eine kleine Handvoll geweihter Asche entgegennehmen. Nochmals ein Kopfrecken nach rechts, dann links durch den Ausgang. Eine Schlange kommt jede Nacht in die Höhle, um sich die Nahrung zu holen, die dort geopfert wird. 

Ich hatte noch nie von Adiyogi gehört. Wir parken in der Nähe des über 30 Meter hohen Brustbildes. Adiyogi ist Shiva, der vor 15’000 Jahren, vor aller Religion, seinen sieben Saptarishis Yoga lehrte. Bei der Einweihung vor fünf Jahren sprach der indische Premier Modi und verband das Monument mit der Tourismus-Kampagne Incredible !ndia (Protest: #4aCredibleIndia). Die UNESCO anerkannte Yoga als Immaterielles Weltkulturerbe. Das Guiness book verzeichnet die Büste wegen ihrer Rekordhöhe. Shiva, einer der Hauptgöttern der Hindu-Trinität Trimurti, wird auch formlos gedacht und anikonisch als Linga dargestellt. Sadguru verehrt im Linga das Ellipsoid als Urform aller Universen und jeder Schöpfung. Du kannst die Erleuchtung nicht suchen, das ist wie ein Hund, der seinem eigenen Schwanz nachjagt. Du kannst nur eines tun: Sei loyal zu deiner einen Qualität. Mantras dämmern aus der Box. Ein bärtiger Zeremonienmeister hantiert mit Räucherstäbchen, Pulver, Wasser und dem obligaten Öllämpchen. In der Ecke eine blasse Frau, die rechte Hand vor dem Gesicht, den Ringfinger an der Nasenwurzel, in angestrengter Verzückung schaukelnd. Wir umkreisen das Zeremoniell und erhalten etwas Wasser, das ich mir ins Gesicht klatsche. In Adiyogis rückseitiger Haarpracht eine Tür, hinter der sich das Geheimnis verbirgt oder Putzzeugs. Über dem Ashram-Eingangstor eine gewaltige Kobra mit gespreiztem Nackenschild. Wir müssen die Schlarpen und unsere Smartphones hinterlegen. Ein grosses gedecktes Wasserbecken, in dem zwei Gurus Siesta puddeln. Ein schlaksiger Rotschopf treibt die Besucher auf der anderen Seite des Handlaufs die Treppe hoch, mit stummen, energischen Gesten. Vor dem Dhyanalinga weisshäutige Volontärinnen in wallenden Gewändern, welche ebenso stumm die Gäste einweisen und mit einem Schild absolute Ruhe heischen, bis das Glöcklein die Session beenden wird. Sukhasanas rund um das Heiligtum, der schwarze Linga aufgerichtet in der tropfenförmigen Yoni. Ich versuche, anikonisch zu blicken. 

Sie huschen zum Allerheiligsten des Sabarimala Tempels, der Statue von Lord Ayyappa, eskortiert von unauffällig uniformierten Polizeikräften. Die zwei Frauen tragen schwarze Umhänge und Kopfschleier, die UrbanNaxals schwarze Kleidung und Bandanas. Ayyappa lebte zölibatär. Seine Anhänger meinen, Frauenbesuch könnte den Gott versuchen. Ayyappa ist bei zwei männlichen Göttervätern aufgewachsen und besiegte einen bisher unbezwingbaren weiblichen Dämon. Der Dämon verwandelte sich in eine weibliche Schönheit, die sich in ihn verliebte und sich vermählen wollte, was Ayyappa aber mit dem Hinweis von sich wies, dass er im Wald leben müsse und die Gebete seiner Anhänger bearbeiten. Auf ihr Drängen versprach er, sich mit ihr zu vereinen, wenn der Strom der Gläubigen versiegen werde. Der Strom fließt noch immer. Sie wartet noch immer, in einem Tempel unterhalb. Frauen besuchen auch ihren Tempel nicht, weil das diese unbefleckte Götterliebe stören könnte. Die Tempel sind mitten im Tiger-Reservat, doch der schöne weisse Tiger zeigt sich ungern. Kerala wird seit gut zwei Jahren wieder durch eine Linkskoalition regiert, angeführt von der Kommunistischen Partei / Marxisten. Die Vorgängerregierung hatte das traditionelle Verbot für gebährfähige Frauen (im menstruierenden Alter, erwidern Aktivistinnen) unterstützt, ebenso das Gericht von Kerala. Den Briten war das damals egal gewesen. Parasumara, sechster Avatar von Vishnu, eroberte das Gottesland und suchte im Norden Tempelhüter. Er fand zwei Brüder, welche er zur Prüfung einen Fluss überqueren hiess. Der eine ging über das Wasser, der andere stoppte den Fluss und lief über den Sand. Thazhamon ist Malayalam (Palindrom 🙂 für letztere Methode. Thazhamon heisst die Familie, die seit über hundert Jahren den Hohepriester stellt. Nun hat der Oberste Gerichtshof das Urteil auf den Kopf gestellt. Die bisherige Regelung sei religiöses Patriarchat, es gehe nicht an, die Last des männlichen Zölibates den Frauen aufzubürden. Nur die einzige Frau im Gericht sah dies anders: Fragen religiöses Praxis sollten durch die Religionsgemeinschaften geregelt werden, juristische Rationalität würde Glaubensfragen nicht gerecht. Die Frauenbewegung jubelte und bildete eine riesige Menschenkette durch Kerala. Die Hindunationalisten riefen Protesttage aus und Streiks. Eine Polizistin wurde verletzt, hunderte Demonstranten verhaftet, ein Toter. In Kotchin wurde eine gigantische Yoni aus roten und pinken Stoffen aufgebaut, an Stelle des Linga eine Musikerin. Besucherinnen haben sich rote Farbe zwischen die Hosenbeine ihrer Shorts gegossen.