G. Balsamo di Palermo aka Cagliostro

Am selben Tag, als S. Marino erstmals auf dem Monte Titano schlief, notierte Augustinus: Crede, ut intelligas und verschloss die Zeitkapsel. Gerardo Sasso hatte von dieser Koinzidenz erfahren, bevor er in Rimini nach Jerusalem einschiffte. Als Gründer des Johanniterordens machte er die Gebote zur Spitalphilosophie. Die Brüder dienten den Kranken, unbeachtet deren Glauben oder Stellung, als ihrem weltlichen Herrn. Nach der erfolgreichen Einnahme der heiligen Stadt durch die Kreuzritter konnte er das Pilgerhospital auf gut zweitausend Betten ausbauen. Als Saladin Ayub ein Jahrhundert später die heilige Stadt zurückeroberte, reisten die Spitaldirektoren und Johanniter-Oberen ab und landeten schliesslich auf Malta, wo sie ihren corso erfanden: Jagd auf muslimische Schiffe, um die Besatzung als Sklaven auf das Abendfestland zu verkaufen. Das freiwillige Hilfscorps der Malteser ist heute als Hilfsdienst in das italienische Heer eingegliedert. Aber Europa bleibt aufgeteilt in Grosspriorate, Priorate und Subpriorate, denen jeweils ein Rittermönch vorsteht, entsprechend den drei Ständen des Ordens.

Im nachmaligen Grosspriorat Napoli e Sicilia, genauer in Palermo, will von Göthe später die Spuren von Cagliostros Herkunft finden, um diesen mit Fakten seiner Hochstaplerei zu überführen. Fast gleichzeitig liess der Papst ebendiesen verhaften, in die Engelsburg einsperren und zum Tode verurteilen. Er sollte das letzte Inquisitionsopfer dargebracht werden, der letzte Ketzerspross. Von Göthe hatte seine Beweise gegen den Grand-Logier und angeblichen Grafen im Quartier Albergheria gefunden: Cagliostros Eltern lebten wie die Bettler in einem Verschlag, der Sohnemann hatte sich ins Kloster der Fatebenefratelli, ein Johanniterorden, davongestohlen. Und dort hat er Chemikalien und Heilstoffe entwendet, so dass er verschwinden musste. Göthe schrieb später den Gross-Kophta, eine Komödie: Der aufgeblasene Graf Rostro schulmeistert und kujotiniert die staunenden Damen und Herren. Cagliostro selbst wurde nach mehreren Fluchtversuchen ins Verliess von San Leo gesteckt, die Todesstrafe in lebenslänglich umgewandelt, nachdem er gestanden hatte, dass er mitten in der Aufklärung von den Illuminaten hinters Licht geführt worden sei. Von Göthe publizierte die Briefe der Mutter, die ihm diese für ihren Sohn übergeben hatte, nachdem er sich vor Ort als Vertrauter von Giusi ausgegeben hatte. Aus dem Zeittunnel hallt Fack ju.

Jahre nach seinem Verschwinden aus dem sizilianischen Kloster tauchte Cagliostro seinerseits auf Malta auf. Der Apothekerlehrling hatte sich zum Grafen und Grosslogenmeister hochgearbeitet. In Ägypten hatte er gemerkt, dass er Mädchen bezaubern konnte, die ganz in Liebe zu ihm entflammten. Sie starrten ihm in die Augen, wenn er sie begutachtete. Danach konnte er sie mit seinen Gedanken steuern, wenn er tief in ihre Augen durchsah und zu ihrem Erlebnis wurde. Er konnte so alle Gespräche mit dem Jenseits führen, welche die Leute hören wollten. Das hatte selbst in Persien geklappt, obwohl er kein Wort verstand. Er hatte italienisch geredet, das Medium persisch. Und er hat Geld bekommen und Verehrerinnen. Nun hatte er sich eine aristokratische Abstammung ausgesucht und seine eigene Geheimloge gegründet, die mit ihren neunzig Graden alles barocke Getue des Absolutismus verhöhnte. Mit gehobener Brust besuchte er den siebzigsten Malteser Grossmeister Emmanuel de Rohan, der fasziniert war von den neunzig Graden seiner ägyptischen Loge und Gefallen an den schwarzen Augen fand, weil er sie mit Liebe verband und irgendetwas Weibliches in ihnen war. Cagliostro verkaufte ihm einige Zauber- und Liebesmixturen und erhielt Empfehlungsschreiben für exquisite Locations in Rom und Paris.

Occhi azzurri, capelli dorati, lineamenti delicati, corpo esile e slanciato, Lorenza Feliciani sin da fanciulla rivelò una straordinaria bellezza. In Italien erhitzt sie die Gemüter. Cagliostro heiratet sie. Das christliche Abendland hat sein Traumpaar, alle laden sie ein und schicken Geschenke. Sie verkaufen Kosmetika und Aphrodisiaka, sein Moschusvorrat verwandelt sich in Gold, das einheimische Bibergeil blieb in den Regalen hiesiger Apotheken. Cagliostro hatte den Stein der Weisen gefunden, er war die Transmutation: alles verwandelte sich in Gold. Er lässt sie wohlhabende Klientel umgarnen, sie bezichtigt ihn der Zuhälterei und er sie des Ehebruchs. Sie holt ihn aber aus dem Gefängnis und sie ziehen gemeinsam fort. Cagliostro beginnt, Lotterien durchzuführen. Sie werden als Paar immer besser, nähern sich auch geistig über die Androgynität der Freimaurerei. Er freut sich über die in Den Haag gestiftete welterste Damenloge, der sie als Grossmeisterin vorstand. Das Grossmeisterpaar führte den Eroberungsfeldzug weiter, bis zur Wende an der Nordfront. Elisa von der Recke, die Schönste im ganzen Baltikum, wies ihn zurück, als sie merkte, dass er ihr hörig und feige war.

Katharina wies C. ab, weil sie von einer befreundeten Fürstin, dieser Elisa von der Recke, die sich bereits aus ihrer Konvenienzehe verabschiedet hatte, erfuhr, dass C. ein coïon sei und obendrein ein Schnorrer und Bluffer, der Jungfrauen verehre. Die Grosse zeigte es dem Kofta, diesem Fleischbällchen. Sie liess ihn abführen während einer séance, in der ein minderjähriges Mädchen die Verbindung zwischen C. und dem Jenseits herstellte und vor aller Augen Offenbarungen geschahen. Graf Gagarin musste die spiritistische Sitzung abbrechen. K. schrieb über die Figur C. drei Komödien, ohne C. je persönlich getroffen zu haben. Sie hatte damals schon zwei illegitime Kinder. Platonisch war sie in Voltaire verknallt. Sie verspottete die ganze Freimaurerei als misslungene Zauberei; Verstand und Standes-Kultur genügen. Annexion der Krim 1783. Putin soll sie verehren. Ihr dritter Liebhaber hatte ihr geholfen, ihren Ehemann abzusetzen und selbst auf den Thron zu steigen. Die europapolitische Ehe war nicht harmonisch. Schon in der Hochzeitsnacht wurde deutlich, dass der Großfürst nur wenig Interesse und Zuneigung für Katharina empfand: Während sie auf ihn im Schlafgemach wartete, kam er spät nachts betrunken …und legte sich angekleidet zwischen die Frau und ihren Liebhaber, er hatte sich *pling* nach Chur verirrt. Anfangs band er Katharina noch in seine Spiele mit den kleinen Soldatenfiguren ein und ließ sie die preußische Uniform tragen. Der letzte Liebhaber war noch jung, als K. starb.

Cagliostro lag auf dem gemauerten Wandvorsprung, den Blick zum kleinen Ausguck, auf den Kirchenturm. Er fühlte sich schwach und konnte seine Gedanken nicht mehr selber formen. Lorenza erschien ihm, in der Aura ihres Klosterkerkers. Gertrud pulsierte in seinem Herzen, die gute Frau Sarasin, die er im weissen Haus zu Basel mit den Kräften des animalischen Magnetismus zu neuem Leben erwecken konnte. Jetzt steig ich im Ballon, wie in Wien. Von oben bewacht schlagfiel er.

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