Der Mensch hat sich selbst zum Fleischfresser gemacht: Erstmal, indem er – als weitentfernter Vorfahre unsereins – die vegetarischen Nahrungsfunde mit Organismen angereichert vorfand, die sich ihrerseits vegetarisch ernähren (das Würmchen in der Frucht des Erkenntnisbaumes); zweitmals durch die moderne historische Soziologie des Vegetarismus, die systemische Aussensicht bringt und moralische Zusammenhänge referiert. Wir sind Teil der Natur und sollen partnerschaftlich und liebevoll mit ihr umgehen. Es ist an der Zeit, das Gebot, nicht zu töten, auszuweiten.
Die Biologie bezeichnet die Liebhaber tierischer Eiweisse und der Geschmackswelt von rohem und gebratenem Fleisch und Fisch und weiterer, schwer einzuordnenden kreatürlicher Lebewesen als Zoophagen oder Karnivoren. Fleischessen scheint eine unappetitliche Krankheit oder zumindest frivol. Es kann einem grausen, diese Schlachterei und Leichenfledderei.
Es gibt eine klare Trennung zwischen Mensch und Tier. Wenn man die Grenze zwischen Mensch und Tier nicht klar ziehen will, so werden die anderen Grenzen obsolet. Pflanzen sind auch Lebewesen, auch sogenannt tote Materie scheint auf einer subatomaren Ebene eine Art Lebewesen. Mit oder ohne Standardmodell. Selbst Pilzmyzel und Internet zeigen phänomenale Intelligenz, Tiere haben Gefühle, Dinge Empathie. Der Zeitgeist dreht und sucht das postreligiöse Verbundensein-sein-mit-Allem und das Alles-ist-eins. Wir wollen Gott zurück! Den können wir haben, im Unterschied zu den Tieren. Wir erkennen uns selbst als Kreatur.
Natürlich sind wir mit den Tieren verbunden, können mit ihnen eins sein. Mit der Natur auch, die lieben wir alle, die führt uns immer wieder vor, wie schön das Leben ist. Aber der Mensch kann sich selbst in einer Art und Weise erkennen, die einmalig ist. Die Evolution – oder besser – die ökologische Entwicklung hat sich beschleunigt, wir leben im Schleudergang – der Mensch hat sich schon weitgehend abgekoppelt von den biologischen, evolutionären Prozessen. Die Menschheit kreiert philosophischen Transhumanismus, der sich in einen biomechanischen Übermenschen transzendieren will, unterfüttert mit künstlicher Intelligenz. Sowas kommt den Menschenaffen noch eine ganze Weile nicht in den Sinn. Der Mensch sieht, bezeichnet und empfindet die handliche Plattform seiner Internetverbindung als ein neues Organ, ohne zu merken, was das sterbekulturell bewirkt. Die eigenen genetischen Veranlagungen werden stetig durch subjektive Aktivitäten verändert. Die Kirchen. Die Bücher. Die bewegten Bilder. Die Imagination. Das Alleinstellungsmerkmal des Menschen ist seine Selbstgestaltungsmöglichkeit. Sein Wille, seine Freiheit. In der Wertehierarchie zurückgestuft, wuchern sie seitwärts.
Weil wir Menschen sind und keine Tiere, haben wir die Freiheit, neben den pflanzlichen Blättern und Stengeln auch die Blüten und Wurzeln, auch die Samen und Sprösslinge und selbst das Fleisch der Früchte bis hin zu den Organen der Organismen zu essen und zu geniessen. Oder es auch auszuschliessen. Der menschliche Wille darf da entscheiden, falls der Geschmack es nicht schafft. Damit sind wir aus allem fein raus und mitten Drin.
Du aber musst Dich entscheiden. Zwischen Dorn und Stachel. Keine Ahnung warum, aber Du wirst vor diese blöde Wahl gestellt, ob’s Dir passt oder weniger. Es kann Dir passieren, dass Du, egal, was Du wählst, vor die gleiche Frage gestellt wirst: Warum gibt es Dorn und Stachel? Sind doch beide gleich blöd. Fressfeinde abhalten! kannst Du rufen, evolutionäres Machtgehabe vor lampigen Salatpflanzen. Damit wärst Du wohl in der Quizsendung durch, aber es kann sein, dass der Fragesteller Richterrobe trägt und falls Du Dorn wählst, Dir mitleidig lächelnd einen stachligen Rosenstrauss überreicht und der Gerichtsdiener Dich von hinten mit Robiniendornen piekt – oder piekst? – und piesakt. Pieps. Wenn Du Stachel wählst, musst Du Rosen schneiden und für jeden evolutionären Fehltritt einen Kranz auflegen. Wille wie Stachel, Freiheit wie Dorn.
Wir reden ja immer nur über die systemoffene Evolution, auf dem raumkapseligen Planeten Erde können auch andere Naturgesetze gelten. Der Grössenwahnsinn der naturgeschichtlichen Evolution wurde mit dem Meteoritenangriff auf die Dinosaurierwelt zum Glück unserer Existenz gestoppt, aber die Macht des Grösseren wächst immer Richtung Himmel, obwohl die Evolutionstheorie als Reflex der imperialistischen Öffnung einer vormals autarken und weitverzweigten Systemgruppe enttarnt ist. Die einzige Alternative zum Meteoriteneinfall wäre Intelligenz gewesen, welche die Dinausauriere auf mittelgrosse Inseln verteilt hätte. Dann hätte man ihnen beim schrumpfen zusehen können. Dieses evolutionsbiologiche Prinzip der Inselverzwergung hätte die Dinos über Generationen hinweg auf die Grösse heutiger Bären schrumpfen lassen, so dass es über deren Abschuss und Verzehr viel zu diskutieren gibt. Inselverzwergung ist aber letzter Widerschein vom Reflex, das kommt auch aus der imperialen Ecke. Inselschrumpfung? Aus philosophischer Sicht scheint es zumindest angebracht, Grenzen zu benennen und damit auch subjektiv zu setzen. Der Mensch ist auf der indonesischen Insel Flores ziemlich genau auf einen Meter geschrumpft (ja ja: Schtrumpf, Trumpf, Thrump, – (und jetzt:)) ausgestorben.
Aber warum beginnen Pflanzen plötzlich, Fliegen zu fangen und zu verdauen, ohne vorher ein Ausscheidungsorgan zu bilden, zumindest die Idee einer Körperöffnung? Pflanzenethisch nicht nachvollziehbar. Sie kann sich einen weitgehend solitären Standort behaupten, sie ist Arealchef dank vielfältiger Ernährung: ein evolutionärer Vorteil. Dafür hat sie unverdauliche Chininteile in ihrem Körper und damit eine Art Plastikproblem wie die Kühe bei uns. Wir sollten darüber nachdenken, ob wir dieser ökologisch sinnlosen Pflanzengattung, diesem schöpfungsgeschichtlichen Fehltritt, bei jeder Begegnung die Wurzel rausreissen. Statt zuzusehen, wie Falschernährung zum Kollaps führt. Die Schnappfallensteller zuerst vernichten! Diese tragen Triggerhaare, mit denen sie bei Stimulation Aktionssignale senden, ähnlich neuronaler Information bei Tieren.
Von wegen Dornen und Stacheln. Wenn wir nicht entscheiden wollen, wird ein weiterer Fehltritt unvermeidbar. Aus der biblischen Dornenkrone wurden Stacheln und hochnäsiger Äesthetizismus, die Rose ist ein requisitenähnliches Phänomen mit dem Sex-appeal einer Reliquie – man kann aber die Stacheln mit dem Daumen wegdrücken und die Symbolik ist auch weg. Stacheln sind Deko, Bio-Punk. Guns and roses. Keusch. Blosse epidermische Emergenz! Die Identität der echten krönenden Dornen zeigt sich in ihrer Stellung oder im Übergangsbereich. Sprossdornen und stachliche Blattenden. Regen ist Segen, Blut tut gut. Faszikel durchziehen die Dornen, die den Organismus bis an die Fühl- und Stechhaut führen. Echte Dornen sind weitere Vorstösse der Pflanzenwelt in die der Fleischfresser. Bomben mit Samen menschenfressenden Kakteen! (fliegen tun sie, über die Mauer) Brutzeln tun sie, die Kaktusfeige und das Steak.