Du lockst Sätze aus mir heraus, die man nicht aussprechen darf. Doch Dank der Kunst des leisen Lesens können verbotene Sentenzen niedergeschrieben werden Und beweisen doch nur das Gegenteil. Ich weiss, dass ich nichts weiss. Dieser Satz ist falsch. Weniger ist mehr! Gerügt sei die vorsortierte Stichprobe. Beredtes Schweigen.
Ich lese nur meine eigenen Texte, weil ich sicher bin, dass ich sie nicht verstehen kann. Aber ich fühle mich in ihnen zuhause, weil ihnen elektrische Strukturen und Prozesse in meinem Körper entsprechen. Mit meinem Headset kann ich das physikalische Skelett von Literatur als Schriftbild projizieren, wenn ich mit geschlossenen Augen den Sprachfluss langsam hinter der Stirn artikuliere. Diie Sehnen und die Muskulatur wachsen daran, die Blutgefässe durchziehen Worte, die Haut überzieht ganze Sätze. Die Nerven wuchern wie magnetische Magie. Selbstreferenzielle BUCHSTABEN vertexten sich. Automatisches Schreiben durch Inspiration. Caprice, Kapriolen der Neuronen.
Brief des Paulus an Titus 1, 12: „Es hat einer von ihnen gesagt, ihr eigener Prophet: Die Kreter sind immer Lügner, böse Tiere und faule Bäuche.“ („Dies Zeugnis ist wahr“) Die Erfüllungsmenge der Aussage ist leer, sagt der Wahrheitslogiker zum biblischen Lügner-Paradox. Die Kreter sind immer für ein Spässchen gut, der Grammatiker. Allseits helle Freude, den modus tollens durchschaut zu haben. Kausalitätserwartung ist ein angeborener Zuchtmeister.
Jesus ist während der Zeit von Herodes des Grossen (gestorben 4 vor Christus) geboren. Das ist nicht paradox! Das zeigt auf, dass der Mensch frei ist. Du sollst die Vernichtungsweihe vollstrecken.
Dass gute Absichten schlechte Folgen haben können, wissen wir seit Kindsbeinen. Das Paradox aber, etwas Schlechtes für eine gute Sache zu tun, lässt sich nicht auflösen und darum tun wir nur Gutes. Nur vom menschlichen Subjektstandpunkt abstrahiert kann man objektive Sätze postulieren und etwa aussagen, egoistisches Verhalten könne sozialen Nutzen stiften. Das kann man als Wahrheit akzeptieren, aber als Unsinn zurückweisen, weil daraus kein subjektives Handeln oder Denken abzuleiten ist. Der Umkehrschluss ist hier eine Perspektivenverwechslung. Ramon Llull lächelt. Er hat das Sprachsystem mit neun absoluten Prinzipien syllogistisch in eine Gottesbeweismaschine verwandelt. Die letzte prinzipielle Dimension bilden Tugend und Laster, Gegensatzpaare, welche den Wahrscheinlichkeitsraum ganz ausfüllen. Der Doctor Illuminatus moderierte Prinzipien und Dimensionen mittels mathematischen Figuren des Alphabetes. Mit drei übereinanderliegenden Alphabet-Scheiben formte er Sätze, die auf ein göttlichen Prinzip weisen und aristotelischen Regeln folgen. In diesem System bedeutet CBD Güte, Grösse, Dauer.
In der Psychologie ist es logisch, ja gesetzmässig: Wer klein ist, macht sich gross. Die französische Geschichte liefert Staatsmänner als Beweis. In der christlichen Theologie werden die letzten die ersten sein, und die Ersten die Letzten. Die schwachen sind stark, die Toten werden ewig leben. Wenn aber das Symbol und der Referent eins sind, stehen wir vor einem Wunder. Eintritt in die Double-bind-Struktur mit Gott. Der Cusanus sah im Zusammengehen von Widersprüchen, ja im Zusammenfallen der Gegensätze das Prinzip des Göttlichen. Später präzisierte Nikolaus, dieses Koinzidenzdenken sei selbst nicht göttlich inspiriert, sondern lediglich eine vernünftige Denkweise des Verstandes, um sich Gott zu nähern, also eine Methode logikgeschulten Glaubens.
Tribar! Escher ist der Andere. Ein optischer Trick, wieder diese Perspektivenverwechslung, die Subjekt und Objekt gleichermassen vergegenständlicht, die Möglichkeit des Selbstbezugs negiert. Wir sind Mitten im Dilemma: Schlagen wir uns auf die Seite paradox, so bleiben die Widersprüche getrennt. Die Orthodoxie aber verleugnet das Andere. Die Widersprechenden umarmen sich im Dunkeln.
Um allgemeinem Unbehagen oder gar nervöser Überreizung vorzubeugen, hilft eine hohe Ambiguitätstoleranz. Zudem schützt sie uns vor vermeintlich befreienden Symbolisierungen, welche uns identitätspolitisch objektivierbar machen. In der Welt linearer Widersprüche und dualer Dilemmata brauchen wir uns nicht zu entscheiden. Die Linie und die Zweiheit sind metasprachliche Metaphern, sie haben in Wahrheit weitere Dimensionen. Wir brauchen nur, unsere subjektiv wahrscheinliche Zustimmung zu den gegensätzlichen Optionen abzuschätzen. Damit behalten wir unsere Souveränität und die objektive Transzendenz. Die subjektive Wahrscheinlichkeit ist der rationale Common sense, bewertet mit Prozentangabe der Zustimmung. (Wenn eine unserer Überzeugungen eine höhere subjektive Wahrscheinlichkeit hat (nahe 1), dann ist auch unsere rationale Überzeugung stärker. Margaret Cuonzo auf dem Kosmos-Büchertisch). Unsere Wahrscheinlichkeit objektiver Wahrscheinlichkeit. Das Unmögliche kann sich ereignen.
(Die Scheu vor Widersprüchen ist antike Vernunft. In der klassischen Logik lässt sich alles beweisen, wenn das Bivalenzaxiom der Wahrheitswerte niacht akzeptiert wird, wenn wir einen Widerspruch zulassen. Die parakonsistente Logik erlaubt Widersprüche innerhalb eines logischen Systems, beschränkt aber bestimmte Regeln, damit sich aus diesen Widersprüchen nicht alles Beliebige schliessen lässt; daher wird sie nicht-explosiv genannt.) Das Unmögliche geschieht immer explosiv-logisch. Zudem wissen wir mit Heisenbergs Unschärferelation, dass zwei komplementäre Eigenschaften nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmbar sind. Die philosophische Unsicherheit über die Bedeutung bedingter Wahrscheinlichkeiten kommt dabei erschwerend hinzu.
David Hume hält beide Aussagen für richtig, obwohl sie sich widersprechen: 1. Über Geschmack lässt sich nicht streiten. 2. Wir können gute von schlechter Kunst unterscheiden. Beide Sätze sind wahr. Es ist alles rundum in Ordnung. Die Empfindung ist immer wahr, weil sie auf nichts ausser sich Beziehung hat. Aber alle Bestimmungen des Verstandes sind nichtig, weil sie eine Beziehung auf etwas ausserhalb haben; Dinge, Begebenheiten. Schönheit wohnt allein in der Seele. Guter Geschmack ist Common sense. In der philosophischen Systematik der Paradoxon-Lösungsstrategien kommt Hume in die Kategorie Picobello. No Problem, Sir. Sie dürfen das gerne so stehen oder anders liegen lassen. Life is a boomerang. Ein Ritt auf Kreisläufen. Ihr siebt Mücken aus und verschluckt Kamele. Wahrheit erkennt man am guten Geschmack.