Der Schlüssel zum Bart

Seine Lippen berührten meine Wange, wenn er mich küsste und mit liebenden Augen eine gute Nacht versprach – und so war sie denn auch. Nachhaltend wirkte aber das begleitende Zusammentreffen meiner Haut und seiner Barthaare. Seine schnauzigen Oberlippenbarthaare lehrten mich: Das Leben ist manchmal etwas borstig, aber mit etwas Nachgiebigkeit bleibt es geschmeidig. Und etwas Widerstand leisten muss man auch. Die Haut kann nicht vergessen.

Borstiges Haar erregt mich. Ich liebe die stachligen Dreitagebartmänner. Am besten sind die, welche am Samstag den Bart abnehmen lassen. So kann man die wenigstens am Sonntag richtig küssen. Mir war das bisher nicht bewusst, aber jetzt schon: Ich küsse nur ausrasierte Lippen. Mit dem unmittelbaren Nebeneinander von Mundschleimhaut und Haarborsten kommt keine intime Stimmung auf. Das sind Rollenspiele. Als Frau halte ich mich da raus. Jemandes Einlassung für gut zu befinden hat damit nichts zu tun. Ich will die Liebe.

Auch in ihrer ästhetischen Erscheinung, ja transzendentem Glanz: Der bärtige Salvator mundi ist nicht nur der Schönste, er ist auch der schönste Mann. Nicht einmal der eingebildete Erfinder des Damenbartes Conchita Wurst bestreitet das. Der HERR: Ihr sollt euer Kopfhaar nicht rundum abschneiden. Du sollst deinen Bart nicht stutzen. Drittes Buch Moses (hier werden die Leviten gelesen!). Jesus trug jüdische Haarpracht. Ein wahrer Hippie-Guru! Ein hebräischer Tantra-Meister. Aber sein Bart wurde zerzaust. „Ich hielt denen, die mir den Bart ausrissen, meine Wangen hin“ liess er die Jünger wissen.

An meinem Bruder konnte ich beobachten: Der Bartwuchs beginnt flaumig auf der Oberlippe. Am Kinn erscheinen die ersten festen Haare, an den Schläfen wächst der Haaransatz nach unten. Zum Schluss greift das nun borstige Haar noch auf die Wangen über. Mein schnauzbärtiger Grossvater hatte die Wangen rasiert zur Stachelbacke, die ich mit meinen Lippen erkundigte. Mein erster Jugendfreund war glattrasiert, er hat mir seinen Akkurasierer gezeigt. Auf meiner Haut fühlte ich nur die schnellen Vibrationen. Als ich ihn stehen liess, liess er den Bart stehen. Seitdem will ich ihn zurück.

Petrus trug das Haar seinem Meister gleich. So taten das die nachfolgenden Päpste auf Petri Stuhl. So taten das schon die alten Griechen. Haupthaar und Bart wurde den Verbrechern geschnitten, sie hatten den Anstand verloren und damit den Stolz auf die Haarpracht verspielt. Sie konnten sich erst wieder blicken lassen, wenn der Schädel drei Jahre vollständig ungeschoren davon gekommen am. Nur den ganz Grossen war inniges Küssen wichtiger: Alexander und Konstantin liessen sich jeden Abend im Bade rasieren. Die Eleganz der Feldherren ist betörend! Konstantins Neffe Julian trug wieder Philosophenbart und wollte die griechischen Götter zurück. Er ist Verfasser des Misopogon, der ersten Streitschrift gegen männliche Barthasser, eine Art Schwulenhaue.

Der fünfzehnte nach dem Apostel Petrus, Calixt I, war der erste Papst ohne Bart. Er begann seine Karriere als Sklave. Er sollte auf das Geld seines Herrn aufpassen, das der für andere Christen aufbewahrte, war der Aufpassfunktion aber nicht gewachsen, so dass das Geld verschwand. Calixt musste fliehen, wurde dann aber von den christlichen Gläubigern zurückgeholt in der Hoffnung, dass er wenigstens etwas Geld zurückzahlen können würde. Dem jungen Kallistos, griechisch „der Schönste“, wurde von Marcia, einer einflussreichen Konkubine, verziehen, auch nach der Schlägerei in der Synagoge. Mit Geldsorgen grossgeworden, erfindet Calixt als Papst den Generalablass: Gib mir eine bestimmte Summe Geld, und Du hast einen reservierten Platz im Himmel. Sein Gegenpapst Hyppolit schäumte: Mörder, Ehebrecher, Diebe und andere Sünder konnten nun grinsend am Sakrament der Kommunion teilnehmen. Calixt wurde in einem römischen Brunnen ersäuft. Der Heilige wird seitdem mit einem Mühlstein abgebildet.

Die römischen Kaiser waren bärtig, die Soldatenkaiser erfanden den pflegeleichten Dreitagebart. Nach Konstantin dem Grossen war das vorbei. Nun wurde glattrasiert. Die Spätantike gilt für gewöhnlich als die Geburtsepoche der Gender-Schwuchtel. Prompt gab es die ersten Nachäffer auf dem heiligen Stuhl. Hilarius trug Rasurgesicht. Das kam danach immer mal wieder vor. Und Johannes VIII trug ein derart schüchternes Bärtchen, dass er als einzige Päpstin in die Geschichte einging. Der die drei Hauptsprachen Hebräisch, Griechisch und Latein schuf, hat auch alle anderen Sprachen geschaffen zu seinem Lob und Ruhm, liess Johanna sich vernehmen und erklärte Slawisch zur liturgischen Sprache. Die Transe wurde von ihrer Verwandtschaft erschlagen, weil das tödliche Gift nicht richtig wirkte.

Frühmorgens stand Frea zeitig auf und wendete das Bett Wodans nach Osten, und als er erwachte, sah er die Winnilerinnen und fragte erstaunt: „Wer sind diese Langbärte?“ Da entgegnete Frea: „Du hast ihnen den Namen gegeben, nun gib ihnen den Sieg!“ So siegten die Winniler über die Vandalen, und seither nennen sie sich Langobarden. Die Ostgermanen aber leben mit dem ihren Namen, verziehen sich nach Nordafrika und sorgen dann in Rom für Schlagzeilen. Die Leibeigenen und Sklaven wurden kahlgeschert und donnern in Bomberjacken durch die Unzeit. Den längsten Bart trug der Norweger, der mit dem Nachbarn um den längeren Winterbart wettete und als Sieger die Freude am Bartwuchs stehen liess. Er lebte dann davon, seinen Bart ausmessen und bestaunen zu lassen. Als Greis schnitt er das Ding weg und band sich die Überfünfmeterhaare um die Nieren.

Die meisten mittelalterlichen Päpste folgten dem christlichen Vorbild und der Leviten-Regel: Sie trugen Vollbärte. Doch in der kleinen Eiszeit, als Holland und England Weltpolitik und Denken bestimmten, zog die spanische Mode des Knebelbartes in den Höfen und im Vatikan ein: Gezwirnter Schnurrbart gepaart mit spitzem Kinnbart. Knebelwachs und Bartwichse gehörten zur Noblesse, der Husar zur Attitüde. Louis le Grand, der französische Sonnenkönig, machte dann den heiligen Stuhl und die Höflinge mit seiner absoluten Glattrasur so altbackenklein, dass nach dem Napolitaner Innozenz XII., der im Herbst des Wendejahres 1700 friedlich entschlief, kein Papst mehr ein Barthaar stehen liess. Seit 317 Jahren sind die Päpste bartlos.

Das ist genug. Zwei Dutzend nutzlos rasierte Päpste in ununterbrochener Folge sind mehr als genug! Franziskus, lass Dir den Bart wachsen! Oh mein Gott, lass dem heiligen Vater wenigstens einen Play-off-Bart spriessen.

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