Endlich immatrikuliert!

Die Matrikel entwächst der Matrix. Jetzt wird es ganz hermetisch. Der hat lange nicht geschrieben: Der informelle Mitarbeiter des Verschönerungsvereins. Kritzelt Zeichen in rote Ruhebänke. Würde Kringel zeichnen, wäre da nicht die Unfassbarkeit exponentieller Funktionalität, sondern nur die Schönheit des Kreises. Identität ist der zur Kugel geschwollene Punkt. 

Die Sprache verschleiert, die Schrift macht das Skelett sichtbar. Hingen da nicht diese Knochenmännchen am Rückspiegel, als die Insektenschwundleugner die Frontscheibe nass abrieben? Die Identität muss zwischen Schleier und Skelett ihren Schwerpunkt haben, das Zentrum des Daseins als Sein-an-sich. Der langen Nacht Thema: Ich, Ich, Ich. Suure Chabis und Stinkfüess. Träum süess.

Die schöne Filosopfia hat den Weg an die Theke überzeugend durchschritten; sie ist das Volk, der Souverän. Ich als gesunder Menschenverstand beuge mich zu ihr und frage, was sie denn Leckeres erwarte. Der Kellner schaut missbilligend zu: Ich Ich Ich nehme dasselbe, Monsieur! Ja Ja Ja. Filosofia nickt und nippt. Ich nicke zurück zur Nipplerin. Woher stammt dieser Satz? Zurück an den Redaktor!

Nehmen Sie sich selbst als Beispiel, wenn Sie ihre Identität suchen! Natürlich kann diese Selbstreflexivität Kopfschmerzen hervorrufen, aber dagegen sind wir für gewöhnlich versichert: Wir wissen, dass wir einfach wir sind. Im Seins-Modus. Im gesunden Menschenverstand. Ich weiss, dass ich ich bin: Ich Ich Ich. Dä Huber bruucht Gäld! Wer seine Identität gefunden hat, sollte sie um keinen Preis geben.

Und doch ist da nichts. Ich brauche das Aussen, um Innen zu sein. Martin Buber lesen, den jüdischen Luther! Wohl dem, der wie ich ein Geheimfach hat. Wohl dem, der in Liebe ist. Wohl dem, der immatrikuliert ist! Da können die Identitären träumen und schäumen, wenn sie nicht immatrikuliert sind, sind sie nichts. Kostüm im Vorgang. Es fällt hin, dass die Nationen zunehmend Bussgelder von Aktiengesellschaften kassieren.

Metroon ist die Stammrolle, die Göttermutter aller Griechen. Sie trohnt an der Agora, auf der die Identität entsteht. Sie weiss alles, weil sie immer dabei war. Metroon richtet in ihrem eigenen Wirkungskreis durch ihren Spruch. Sie ist die Sprache, auf ihrer Stammrolle finden sich keine Schriftzeichen. Göttermütter können sich sowas leisten, andere machen Notizen. und Aufzeichnungen.

Die Matrikel ist ein öffentliches Dazugehörigkeitsverzeichnis. In der Adelsmatrikel verzeichnet der Monarch Personen, welche zum höfischen Adelsstand gehören. Und musste die freien Städte, die niemand anderem unterstehen wollten, in die Reichsmatrikel eintragen, per Handschrift. Wer souverän ist, führt eine Matrikel. Wer mit sich selbst identisch sein will, muss sich immatrikulieren. Nur so lässt sich Identität idenzifizieren. Nur so werde ich empirisch evident.

Diese antike Weisheit hat sich die christliche Kirche zu eigen gemacht. Kirchenmitglieder werden in der Pfarrmatrikel festgeschrieben (Tauftag, Geburtsdatum egal) und begleitet (Hochzeit, Geburten, Todesfälle). Das Kirchenbuch ist die Quelle des Stammbaums, der biologischen Identität. Was in der Kirche gilt wurde Schrift: Das kanonische Recht. Was gilt, ist an dem einzigen Ort.

Wir sind im heiligen römischen Reich zur Zeit der Kreuzzüge. Der Kamaldulensermönch Gratian ordnet an der ältesten europäischen Universität Bologna die Schriften der Synoden und Konzilien. Damit begründet er die Disziplin des kanonischen Rechts und die Dialektik der scholastischen Denkweise. Ein gelehrtes Methodenlehrbuch: Concordia Discordantium Canonum.

Gratian harmonisier scheinbar gegensätzliche Canones miteinander, er diskutiert unterschiedliche Meinungen und entscheidet sich für eine Lösung. Diese dialektische Arbeitsweise zur Übereinstimmung entgegenstehender Regeln nahm Nikolaus von Kues drei Jahrhunderte später auf und leitete die Wende der Aristoteles-Renaissance in die neuplatonistische Postmoderne ein. Mystiker und Humanist: Coincidentia Oppositorum. Ying und Yang flattern mit.

Da gab es keine Gegenargumente in den alten Handschriften: Das Zinsverbot war unbestrittene Handlungsanleitung für die Nachfolger Christi. Usura ist eine Sünde, ein Verstoss gegen Gottes Idee. Wer Zinsen nimmt, pflückt fremde Früchte. Mitten im Jahrhundert der Aufklärung erklärt Papst Benedikt XIV: Jeder Gewinn, der die geliehene Summe übersteigt, ist unerlaubt und wucherisch. „Wer Zins für rechtmässig hält, ist im Widerspruch nicht nur mit den göttlichen Lehren, sondern zweifellos auch sogar mit dem allgemeinen Menschenbewusstsein und mit der natürlichen Vernunft.“

Verona hatte gerade ihren Bürgern eine Zwangsanleihe auferlegt, welche die Stadt mit jährlichen Zinszahlungen schmackhaft machen wollte. Die Schuldenwirtschaft begann im Katholizismus zu wuchern. Die französische Revolution beseitigte kurz nach dem Sturm auf die Bastille das Verbot des Darlehenszinses, am 12. Oktober 1789, nach genau 1000 Jahren. Verbotener Wucher beginnt nun ab der Höchstgrenze von 5%. Nach etwas mehr als vierzehn Jahren verdoppelt sich das so eingesetzte Kapital. Noch heute träumen finanzfeudale Stiftungen davon, ihre Aktivitäten allein aus Zinsertrag zu finanzieren.

Henry Tudor, der erste englische König mit einer Renaissanceausbildung, löste sich vom Papst und erklärte sich zum Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Daraus folgte ein Höchstzinssatz von 10% und damit hatte England die Grundlage des Turbo-Kapitalismus geschaffen. Die katholische Kirche gab später klein bei: Pius VIII, der Asthma-Papst, sanktionierte nach der Juli-Revolution in Frankreich die Aufhebung des Zinsverbotes. Die Reinheit der Lehre bewahrt die katholische Kirche aber noch immer: Mit dem Zürcher Polizeivorstand bekämpft sie die schmerzliche Ungleichheit, indem die Nationalität von Straftätern als irrelevant erklärt. Brüder und Schwestern!

 

Haben Sie bemerkt, dass die Textabschnitte etwas länger werden? Dies ist der vierzehnte und wird doppelt so lange werden wie der erste. Der Wuchertext handelt von der Matrikel 2.0: Dem Verzeichnis von Bitcoins, einer digitalen Währung. Notenbankgeld ist Fiat-Geld und leidet unter Vertrauensschwund (Golddeckung weg!). Kryptogeld hat ebensowenig sicheren Wert, bietet aber transaktionelle Sicherheit. Die Bitcoin–Matrikel, in der alle Transaktionen festgehalten werden, ist dezentral organisiert. Staatliche Kontrolle oder gar Besteuerung solcher Finanztransaktionen sind unmöglich. Banken und Imediäre bleiben aussen vor. Reines Ich-Geld. Der innere Wert ist Rechenleistung. Da jede Transaktion zusätzliche Daten generiert, gibt es ein Datenvolumendach. Bitcoins können zumindest theoretisch nicht ins unermessliche wachsen und ähneln darum dem Warengeld oder dem Goldstandard. Die Blockchain mit der ganzen Transkationshistorie wuchert und will mehr Speicherplatz. Der erste rare Digital-Rohstoff. Satoshi Nakamoto ist der Erfinder des Bitcoins. Der Name Nakamoto stand unter dem Papier, das vor bald zehn Jahren die neue Währung ankündigte. Nakamoto dementiert. Die Identität bleibt ungeklärt. Kryptodigital. Jeder kann mitmachen. Und sich jederzeit Geld auszahlen lassen, sofern der Kurs steigend bleibt. Kettenbriefanalog. Perlmutt aber wächst aus organischer Matrix wie schillernde Wahrheit.