Odysseus hat nach sieben Jahren von der Nymphe Kalypso genung. Ihr Versprechen der Unsterblichkeit beeindruckt ihn nicht. Er will nach Hause. Da kotet es sich einfach am besten. Natürlich gerät er mit seinem selbstgebastelten Floss in derbes Wetter. Riders on the storm. Notdürftig. Zu Hause verleugnet er seine Identität, obwohl ihn Penelope an den Füssen erkennt, die sie ihm als Gastgeberin wäscht. Telegonos sei verreist, nimmt sie ihm die alte Angst, von seinem Sohn, der ihm von Zirze beschert wurde, getötet zu werden. Der fromme Odysseus hatte seine Zirze „meine Göttin“ gerufen, muss jetzt aber daheim einen strolchenden Dieb vom Feld vertreiben – doch der wird wütend und tötet ihn mit einer Lanze, verlängerter Stachelroche. Der Sterbende beschwert sich bei den Göttern, dass sich die Prophezeihung des Orakels nicht bewahrheite, entgegen der in Griechenland gängigen Annahme, dass durch das Medium die Götter zu uns sprechen, also nichts als die Wahrheit. Lügengötter! war sein zweitletztes Wort. Falsch! zischte Telegonos, ich bin dein und Deiner Göttin Sohn, Der Vollstrecker. Scheisse.
Achten sie darauf, dass keine Scheisse aus ihnen austritt, nachdem sie gestorben sind. Das kann einem das halbe Jenseits versauen. In der Schweiz geht sowas vielleicht, aber gerade auf Reisen wäre das ein Hohn auf alle Reinlichkeitsgebote verschiedenster Religionen oder Kulturen und zudem dermassen peinlich, dass dringend davon abgeraten werden muss. Wenn Sie also aus irgendeinem Grunde bettlägerig werden sollten, stehen sie auf keinen Fall auf, um feste Nahrung zu sich zu nehmen. Wer sterblich ist, kann etwas dagegen tun: Hungerstreiken. Nach zwei Fastentagen dürfen Sie in der Gewissheit weiterleben, das Jenseits mit all seinen Vorzügen ohne Einschränkungen und lästige Gedanken an den eigenen Leichnam geniessen zu können, falls sie sterben würden. Trinken Sie gesüsste und aromatisierte Aufgussgetränke, gekühlt oder heiss. Lassen Sie auch das Trinken weg, fall Sie Lust verspüren, richtig zu verreisen und zu versterben. Nach weiteren drei Tagen beginnt der Trip. Nach einer Woche sind Sie weg.
Er weigerte sich, in einer Botschaft Asyl anzunehmen. Liu Xiaobo wurde festgenommen. Der Forderung des einundsechzigjährigen Gefängnisinsassen, zur medizinischen Versorgung ins Ausland reisen zu dürfen, kam die chinesische Regierung nicht nach. Er wurde künstlich beatmet, sonst aber sterben gelassen, einen Tod des multiplen Organversagens. Quasi am Tod gestorben. So kann man auch auf Reisen sterben, ohne Atemgerät geht das sogar einfacher. Sterben müssen wir, das ist Plichtfach aus Gründen der Logik wie der Empirie. Gedanken an die Ewigkeit unterstehen deshalb dem Vorwurf des objektiven Subjektivismus. Religion ist Schachspiel mit Gott. Die christlichen Prediger haben recht, es besteht ein Beziehungsaspekt. Reflektion und Reflexion. Physik. Der Beziehungsaspekt hat personale Substanz. Die Person ist Seele plus Psyche (wer will, zählt Körper und weitere concreta und abstracta dazu) und damit göttlich-menschlicher Zwitter: Eine fata morgana des Anderen. Ein Subjekt wird sich selbst durch das Selbstbewusstsein als Interagens zwischen Innen und Aussen. Das Selbst ist auch Mediär zwischen dem personalen ich und dem inneren anderen. Subjektempfindung und Personenzuschreibungen fallen zusammen. Du bist das. Das bist Du: तत् त्वम् असि, tat tvan asi, die grosse Verkündigung der Veden, wobei grammatisch Subjekt und Objekt austauschbar verschränkt sind.
Die muslimische und jüdische Leichenwaschung dient der Herstellung ritueller Reinheit. Bei Märtyrern erübrigt sich die Waschung, die haben ihren Ritus hinter sich. Das Abendland praktiziert hygienische Leichenversorgung: Watte in Nase, Rachen und Anus, Kieferhälften von innen zusammennähen. Dank der Ligatur hält der Tote den Mund. Erzählen Sie Ihren Liebsten, welche Bestattungsart und welches Ritual sie für sich selbst passend finden, wenn Sie nicht Märtyrer sind. Erzählen sie es nie wieder, ausser Sie haben aus guten Gründen Ihre Ansichten geändert. Wir werden ständig neu geboren, kommen immer mal wieder auf die Welt. Mit Gott imreinensein.
Vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse sollte der Mensch nach Gottes Gebot nicht essen, sonst wird er sterben. „Musst sterben Du, sterben“ sprach Gott (gebrochen?) hebräisch zum Menschenmann. Englisch Jim Morrison: I tell you, I tell you we must die. Die Schlange aber sprach zum Weibe: Sterben. Sterben werdet Ihr nicht. Sondern Gott ists bekannt, da ihr davon esset, eure Augen sich klären, und ihr werdet wie Gott, erkennend Gut und Böse. Die Schlange hat die beiden reingelegt: Sie erkannten weder Gut noch Bös, sondern nur ihre Scheu vor der eigenen Nacktheit. Sie machten sich Feigenblätter um statt Liebe, der Sündenfall. Wer hat Dir gemeldet, dass Du nackt bist? überführte Gott den Menschen. Ob Sie nackt schlafen oder nicht, ist egal. Leichen werden überall auf der Erde neu angezogen, umwickelt oder zugedeckt. Die Schämerei ist vorbei. Aber denken Sie daran, das Zimmer nicht von innen zu verriegeln, wenn Sie ernsthaft in Erwägung ziehen, dass Sie im Schlaf sterben könnten. Das kann jedem passieren. Es wäre traurig, wenn man ihre Leiche zu Hause als Geruchsemission ortet oder die Zimmertüre eintreten muss. Hinter sich immer dicht machen, aber niemals abschliessen. Das ist der Anfang vom Ende. Lassen Sie alles offen. Auch hinter sich. Und vergessen Sie nicht, Ihre Avatare aus dem Internet zurückzupfeifen.
Konsens herrscht darüber, dass trotz Medizin, Molekularbiologie, Neurochemie, Nanotechnik und Informatik der transhumanistische Ansatz etwa beim Alter von 150 Menschen-Jahren an die Wand fährt. Irgendwas geht kaputt im Organismus Mensch, das System kippt und alle Einzelteile verändern sich. Wenn es dem wissenschaftlichen Fortschritt gelingen könnte, den Menschen bis zu diesem unvorhersehbaren Kippdatum physisch und psychisch in seiner Jugend zu halten oder in einem anderen selbstbestimmt besten Alter, hätte der Tod Mühe, sich bemerkbar zu machen. Die neue Langlebigkeit wird zum Volkssport, frotzelt die Memento-mori-Fraktion. Jahre, die man dem Zeitfluss abgerungen hat. Ans Trockene gebracht. Mann muss den Fluss trotzdem queren. Das Paradoxon löst sich, wenn wir in den Fluss steigen. Am liebsten bin ich in langsamen Fliessgewässern, auf dem Rücken bewegungslos schwimmend, die Strömung massiert meine Kopfhaut.
Grüss Gott! Sterben Sie wohl!
Da bist Du ja ganz schön in leichtfüssigem, süffisant anmutendem Schritt ins Jen- und ins Nebenseitz getänzelt… es ist eine wohltat an deinem Gedankenfluss teilzuhaben … es ist wie auf Reisen zu sein .. toll .. es macht Freude!
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