wohlangetan

Hinten im Lumnez, in Vrin, haben sich die meisten Einwohner, welche über ihre vollen politischen Rechte verfügen, vor der Dorfbeiz eingefunden, um in gemeinsamer Siegerpose in die Kamera zu strahlen. Sie haben mit aussergewöhnlich grosser Mehrheit die Abstimmung über einen zweiten Schweizer Nationalpark gewonnen und mitgeholfen, das regional eingepasste Bundesprojekt in einen Archivschrank wegzusperren. „Wir wollen keine neuen Vorschriften. Wir geben unser Land nicht her. Wir nehmen kein Geld. Wir schauen selber zum Rechten. Wir setzen auf inneres Wachstum.“ (Hinter vorgehaltener Hand raunen sie sich zu: Unsere Väter haben den Stromvogt aus der Greina gejagt, wir jetzt den Tourismusvogt.) Eine Riesenfreude in den Gesichtern der politischen Volksmacht, vereint in der abgeschiedenen Berggemeinde, die in ihrem weitgespinnten Austauschnetz die persönlich gezwirnten Fäden zieht. Echt sympathisch, diese menschliche Trutzburg in der Holzstube.

Wenn es aber darum geht, der Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen – was wohl unser aller gemeinsames Erbe der Aufklärung  ist -, so soll dieser Bündner-Berggeist auch kritisch analysiert werden. Warum hat niemand den völlig überzeugenden Management-Plan gelesen? Warum hatte Silva, die Pro Natura-Chefin, trotz Naturschutzgeldern keine Chance? Vielleicht, weil der Business Plan 280 Seiten umfasste und die Naturschutz-Gelder für Nutzungsverzichte in der Kernzone gedacht waren? Wir geben unser Land nicht her! Ja, aber das hat etwas mit engen Tälern und ebensolchen Stirnen zu tun. Das ist der Anfang von Rassismus und Anarchie. Das sind Identitäre! Die haben sich in den umgebenden Ländern längst politisch organisiert und gelten aus politikwissenschaftlicher Expertise als Synapsen zwischen den Rechtsparteien und dem Rechtsextremismus. Die germanischen und lateinischen Identitären rufen den Arabern zu: Unterwerft Euch! Wir haben den einzig und einzigen wahren Gott! rufen diese zurück.

Systempolitisch führt das zu Instabilität und gesellschaftlich wie individualpsychisch zu Verunsicherung, wenn sich menschliche Gruppierungen als identitäre Gemeinschaft ausgeben. Damit beharren sie quasi auf angestammten Vorrechten und kommen somit dem Egalitätsprinzip, das die französische Revolution, diese blutige Tochter der Aufklärung und Mutterblut der Demokratie, auf die europäische Zunge tätowierte, in die Quere. Die Identitären solidarisieren sich mit den Amazonas-Indianern und anderen Ureinwohnern. Ihr Basiskonzept ist der Ethnopluralismus, den sie durch wirtschaftliche Globalisierung und kulturellen Einheitsbrei bedroht sehen. Damit unterscheiden sie sich von einem ethnozentristischen Rassismus und den Nazis (alte Rechte). Die Identitären haben das grosse griechische Lambda zu ihrem Symbol gewählt. Das ist Einsteins kosmologische Konstante, mit der er die rätselhafte Gravitation mit Raum und Zeit in Beziehung setzte, und zwar so, dass die Gleichung  das Universum stabilisiert (diese Behauptung einer theoretischen und prästabilierten Unendlichkeit ist heute einem Expertenstreit zwischen Agnostikern und Gnostikern gewichen. Politikwissenschaftler beschreiben die Identitären als ethnopluralistisch-rassistisch. Das scheint zutreffend, das ist ein dynamisches Paradoxon, Die Vriner zucken die Schulter und lachen. Das politische Phänomen scheint mehr geprägt durch die Figur des Vogtes und dem Wert des Geldes. Die lassen sich nicht kaufen.

Die würden ihre Skepsis auch einer Spende entgegenbringen. Wenn nicht Bedingungen, dann sind Erwartungen daran geknüpft. Wollt Ihr als Wohltäter anerkannt werden? Das ist diese identitäre Übertreibung, welche das Subjekt  verabsolutiert und Gott vertrieben hat. Wohltäter tragen zu ihrem eigenen Wohlbefinden bei, unabhängig von der Reaktion oder dem Desinteresse der Wohlangetanen. Das funktioniert auch, wenn man nicht daran glaubt. Erlebe die Wohltat einer Spende im Advent und teile diesen Glücksmoment der universellen Wohlangetanheit.

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