Ob die Naturkonstanten auch über astronomische Zeiträume hinweg wirklich konstant sind, ist Gegenstand aktueller Forschung. So schienen Messungen der Spektrallinien von Quasaren mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii auf eine leichte Abnahme der Feinstrukturkonstante (Formelzeichen Alpha, α!) um etwa ein hundertstel Promille im Verlauf von zehn Milliarden Jahren hinzudeuten. Andere traten den Versuch zum Gegenbeweis an.
Herausfinden tut man das nie. Beweisen schon gar nicht. Nur eine universelle, ontologisch fundierten Metatheorie kann Abhilfe schaffen. Oder eine Meta-Konstante, wie dies etwa π ist. Immerhin eine unendliche Konstante, wirklich imponierend und sehr glaubhaft. Eigentlich sollte jeder ehemalige Zürcher Volksschüler die ersten fünf Stellen nach dem Komma dahersagen können. Die Mathematik hat präzise definierte Attribute für die Zahl π, deren Prämissen sich jedem offenbaren: unendlich, irrational und transzendent.
Die physikalischen Konstanten sind alle endlich, aber verdammt gross oder klein. Je später sie theoretisch behauptet wurden, desto höhere Zehnerpotenzen. Am schlimmsten natürlich die abgehobenen Teilchenphysiker, die ihr Lebensziel erreichen, wenn sie theoretisch eine Konstante begründen, welcher sie selbst ein Schriftzeichen zuordnen, die dann mit ihrem Namen bezeichnt wird. Und hinten hängt ein gutes Dutzend Nullen, elegant zur Potenz erhoben. Potenzen kommen im Lehrplan 21 auch vor, die höheren Potenzen allerdings ohne alltagsrelevante Kompetenzen.
Hat man 1967 auf der 13. Generalkonfernz für Mass und Gewicht einen Fehlentscheid getroffen, als man die Sekunde an die atomare Strahlung band? Man war in der Atomhochzeit. Mit der Kubakrise knapp am dritten Weltkrieg vorbeigeschrammt. Betonierte Atombunker. Auf den Wiesen vermehrten sich die Atommeiler.
Für das wirkliche Leben reicht ja eigentlich der Tag als zeitliche Konstante. Auch wenn die Erdachse chaotisch strudelt (überlagerte Schwingungen) und die Tage länger werden (immerhin etwa eine halbe Sekunde im Jahr), bevor dann die Erde theoretisch stillsteht und die Zeit einfriert. Just am Morgen geht die Sonne auf und präzis am Abend geht sie unter. Mit diesen tänzerischen Schwankungen der Gestirne. Wurde ja alles schon im vorletzten Jahrhundert genau berechnet.
Der Wechsel zur Atomzeit (gut 9 Milliarden Hz ist gleich einer Sekunde, die letzte Ziffer eine 0 – wurde wohl auch festgelegt und nicht gemessen, wie Einsteins Lichtgeschwindigkeit?) hat dazu geführt, dass man für den realen Gebrauch der Atomzeit alles wieder zurückrechnen muss. Weil diese halbe Sekunde pro Jahr zu Schaltsekunden führt. Man muss jetzt die Atomuhren korrigieren. Und eben, die Konstanz der atomaren Strahlung baut auf Wahrscheinlichkeitsrechnungen zweiten Grades. Anwendungen der Atomzeit? Astronautik. Könnte man nicht auch hier die Faustregel gelten lassen, dass der terrane Mensch am besten auf jenen Planeten landet, wo er das im Sichtflug und Handbetrieb schafft? Telekommunikation und Navigation. Finanzindustrie und militärisch-staatsmonopolistischer Komplex. Das Handy macht alles für mich. Ich lese in einem Buch mit handschriftlichen Randnotizen. Die Schaltsekunden sollte man feiern, steht da in hüpfenden kleinen Buchstaben. Die Schaltsekunden sind ja in der richtigen Zeit eigentlich Zeitlöcher, die richtige Zeit steht still. Die Schaltsekunden sind zu schnell, temporaler Präcox. Also entsteht ein kurzer zeitloser Moment. Voll schwebender Möglichkeit. Aktualisierte Ewigkeit. Eine Offenbarung. Ein Feuerwerk der Feier.
Ganz schön gut, dieser Text! Aber hier geht’s um α, das Erste. Ohne das kein Ω, das Omega jetzt in griechischer Schrift grossgeschrieben; ohne die zwei keine Dialektik, keine Energie, kein Nix. Das erste Gesetz der Naturkonstanten ist der Glaube an die Feinstrukturkonstante. Eine eher psychologisch interessierte Gruppe von Naturwissenschaflern (ja ja, da haue ich jetzt ein dudenkonformes „l“ rein, für mich tönt das so harmlos-sympathisch) nennen sie Sommerfeldkonstante, nach seinem Erfinder. Andere sehen darin die Kopplungskonstante: Sie ist eine absolute Grösse für die Emissionsrate der Lichtteilchen, sie schätzt so was wie die Umwandlungsgeschwindigkeit von Geist und Materie und beruft sich dabei auf den Absolutsheitsanspruch der Lichtgeschwindigkeit durch Einstein, der übrigens „Lichtteilchen“ für ein mathematisches Witzchen hielt.
Die Naturkonstanten sind alle mathematische Konstrukte und definitorische Festlegungen (heute mit Angabe von geschätztem Standardfehler). Auf Einsteins Lichtgeschwindigkeit, auf Plancks Wirkungsquantum und auf Newtons Einführung der Mathematik in die Metaphysik der Natur (Quadratur der Anziehungskraft mit zunehmender Nähe!) folgen die zahllosen Naturkonstanten der Quantenphysik. Alle mit den grundlegenden Naturkonstanten der vorangeschrittenen Genies verbunden. Sommerfeld mischt noch in vielen Formeln mit: Er hat, nachdem Netwon das Quadrat als Denkfigur in die Empirie eingeführt hat, die Kreiszahl zwischen all die grundlegenden Naturkonstanten gestellt, nur so geht die Gleichung auf, auf einer Seite steht das π, auf der anderen Seite nicht. Und zum Ausgleich werden zwei Naturkonstanten angeführt, die just durch π verbunden sind: Die Verbindung von Frequenz des Lichtteilchens mit der masseabhängigen Energie des Lichtteilchens. Da hat er mit seiner erdachten Konstante eine weitere, dritte Dimension hereingebracht, mit dem Kreis die Kugel. Natürli, konstant. Mangiamo tutti insieme spaghetti cinque π: con πomodoro, πanna, πarmigiano, πrezzemola, πeppe!