Schon wieder ist ein junger, schwarzer Mann im kühlen Fluss ertrunken. Niemand kannte ihn. Niemand vermisste ihn. Für die Behörden und die Bestatter eine Ausnahmesituation: Dieser Tod verlangt eine völlig neutrale, aber gleichzeitig würdige Prozedur und Beisetzung. Das anonyme Massengrab war naheliegend. Eine klar identifizierbare und ausgesonderte Stelle, ein anonymes Einzelgrab im zeitgemässem gutschweizerischen Gemeinschaftsgrab. Man weiss ja nie! Richterlich angeordnete Exhumierung, ansteckende Keime, unverrottbare Gene. Sicher ist nur, dass der grossgewachsene Junge den Abenteuerritt auf dem Fluss überlebt hätte, wenn er die Schwimmweste getragen hätte, die er nach der Schifffahrt über das Mittelmeer in der Ägäis zurückgelassen hatte, falls der unbekannte Nichtschwimmer in einer solchen Situation gewesen sein sollte.
Refugees Welcome ist einfach sympathischer als Ausländer raus. Und Angela hat mit ihrem pfäffischen Willkommensgetue das Flüchtlingsgetue abgesegnet und den Willkommens-Hype persönlich lanciert, wobei ihr dann später das Echo lästig wurde. Bis bezahlte Bürgerwehren die Balkanroute, Europas Hintereingang, durch ihre Patroulliengänge und dann mit Zäunen unterbrochen haben. Und europainnenpolitisch etwas Ruhe und Stabilität brachten, was alle begrüssten, weil der Terror wieder mal die meisten Follower lieferte. Das evangelische Hilfswerk bewirtschaftet noch die verebbende Solidaritätswelle: Farbe bekennen! Mit dem blauen Band am Handgelenk, wie All-inclusive-Touristen. Durch Kirchen- und Spendegelder wird zusammen mit unentgeltlich Engagierten ein umfangreiches Angebot für Flüchtlinge betrieben, Begegnungshäuser, Yoga-Kurse werden angeboten, Theater gespielt, die Cuisine sans frontières im Bundestestasylzentrum Juch unterstützt. Umfangreich und vielfältig ist auch der Flüchtlingsbegriff des Hilfswerkes. Zumindest jene im Bundeszentrum Juch sind Asylnachfragende, deren Gesuch geprüft wird, von diesen wird vielleicht einer von vier oder fünf eine Aufenthaltsbewilligung als Flüchtling erhalten. Junge Eritreer haben etwas bessere Chancen.
Von einer europäischen Politik im Umgang mit den Asylsuchenden kann keine Rede sein. Die oberste Maxime ist die Niederlassungsfreiheit der Unternehmen und der Entlöhnten, von Kapital und Arbeit, so dass die Marktgesetze in ihrer reinen Form auftrumpen können. Europa kann selbst die einfachsten Dublin-Grundregeln nicht operationalisieren – blosser theoretischer Aberglaube, getarnt als politische Vernunft. Die EU schickt Millionen in die Türkei in der wagen Hoffnung, dass die Türken nicht alle Migranten durchwinken. Afrikanische Staaten verlangen von der Schweiz Geld, wenn sie Migranten zurücknehmen sollen. Irgendwie schaffen wir das schon: Die Asylsuchendenbegleitungsindustrie ausbauen, die Ausbildungsmaschinerie, das Gesundheitswesen. Bezahlen kann das die Eidgenossenschaft mit Staatsobligationen, für welche wissentlich mehr bezahlt wird, als zurückbezahlt werden wird. Dank dieser virtuellen Gelddruckerei ist eigentlich egal, wie im Asyl- und Migrationsbereich politisiert wird. Alles kann administriert werden, mit einem hohen Grad von Raffinesse und Standardisierung. Und die Politik darf immer mal wieder in die Feinjustierung der Administration Einfluss nehmen. Aber nur nach Vereinbarung von messbaren Zielen, deren Erreichung im Testzentrum laufend mit sozialwissenschaftlichen Methoden überprüft werden kann. Hier geht es um die Steuerungshoheit. Von verantwortungslosen Kapitänen und Unteroffizieren wimmelt es. Der leitende Gefängnisarzt beklagt im Fernsehen, dass für einen Gefangenen ohne Aufenthalts- und Bleiberecht kein Kostenträger für eine bei jener Diagnose üblichen Behandlung gefunden werden kann (der Kanton Zürich hat ein entsprechendes Gesuch abgelehnt), statt selber die ihm richtig erscheinende Handlung vorzunehmen. Heilpädagogen beschulen nichtbegleitete jugendliche Asylbewerber, ohne dass sie einen Wissenszuwachs oder eine Verhaltensänderung feststellen können. Unter sich hat es die Horde Jugendlicher ganz gut, eher so Rap-style.
Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Grenzübergänge zu den Nachbarstaaten und innerhalb der EU ziemlich weit offen stehen. Die Pro-specie-rara-Fraktion der SVP hat in einer innerparteilichen Aussprache klar gemacht, dass allfällige Zaunaufbauarbeiten im Schweizer Gebirge eigenhändig unterbunden würden und lässt es so zur Schulterberührung mit den Ökosozialdemokraten kommen, welche die integrationspolitische Bewanderung der schönsten Wege über die grüne Grenze durch herkunftsmässig gemischte Fussgängergruppen bejubelt. Ja, offene Grenzen sind besser als geschlossene. Man sollte einen Befürworter des Jihad nicht an der Ausreise hindern. In den besiedelten Grenzgebieten könnten eidgenössische Sonderzonen begründet werden, in welchen die eidgenössische Hoheit auf das unveräusserliche Territoritaleigentumsrecht beschränkt wird. Wenn die UNO die selbstverwalteten Gebiete als staatliche Gebilde anerkennt, könnte man dem Beispiel von Auroville folgen und die Territorial-Oberherrschaft fallen lassen. Damit die Selbstverwaltung friedlich aufgebaut werden kann, werden den Landeskirchen und anerkannten zivilgesellschaftlichen Organisationen das Baurecht und die Gerichtsbarkeit für diese Gebiete zugesprochen. Getragen werden alle Aktivitäten und Investitionen in der Sonderzone durch Privatinitiative, Freiwilligenarbeit und Spendengelder. Den Kirchen wird im Gegenzug versprochen, weiterhin ihre internen Steuergelder einzuziehen und vollumfänglich zu erstatten.
Das übrige Grenzgebiet ist grundsätzlich offen. Wer in die Schweiz will, sich an die Gesetze hält, sich bei Ordnungswidrigkeiten kooperativ verhält und Busse zahlt, vor allem aber für sich selber sorgen kann oder dafür sorgen kann, dass für ihn gesorgt wird, hat Bleiberecht. Die Sonderzone ist gegen das Nachbarland offen und schweizseitig ummauert. Die Durchgänge stehen für alle offen, welche in die Sonderzone wollen. Wer aus der Sonderzone in die Schweiz will, muss sich ausweisen. Personen, welche in der Schweiz kein Bleibe- oder Aufenthaltsrecht haben, werden nicht eingelassen. Neue Asylgesuchstellende können direkt am Übergang ihr Gesuch stellen und werden bis zum Asylentscheid durch den Staat mit dem nötigen versorgt. Sans-Papier haben ihr eigenes Begegnungs- und Beratungszentrum. Personen, deren Asylgesuch in der Schweiz abgelehnt wurde, werden in diese Sonderzonen verwiesen, wenn sie nicht in ihren Heimatstaat zurückgeführt werden können oder wollen. Die Kirche weiss, dass sie mit diesen Leuten einen herrlichen kleinen Gottesstaat aufbauen kann, welcher manchen Muselmann und Wodoobrother zu Jesus bekehren wird oder wo man sich mindestens kooperativ zeigt und sich um Toleranz und Einvernehmen bemüht. Amnesty-Spezialisten werden die Ordnungskräfte und Justizorgane beraten und überprüfen. Landwirtschaftliche Kooperativen und Handwerker werden den Marktplatz in der Freihandelszonen bereichern. Die Tourismus- und Event-Wirtschaft bleiben in diesem globalisierten, an der Schweizer Grenze lokalisierten Freistaat in der Hand jüngerer Schweizer. Für einen ersten Test eignet sich die Grenze zu Österreich; da oben an der Rheinmündung in den Bodensee sind vor allem Migranten aus dem Nordosten und aus Asien zu erwarten. Die Nähe zu St. Margrethen und Bregenz verspricht lebhafte Beteiligung der einheimischen Bevölkerung und kreative Kraft, die Nähe zum Bischof Vitus in Chur ermöglicht finanzielle Unterstützung aus dem Vatikan. Hotspots nachhaltigen Wirtschaftens. Ventilatoren für die hochsensiblen Schweizer Industriebürocomputeradministrationssysteme.