Bildersturm

Egal, wie gebildet: Wir schauen zuerst die Bilder, bevor wir allenfalls Textinhalte überfliegen und lesen. So ist es auch bei den Leserinnen und Lesern meines Blogs. Die meisten Klicks verzeichnen einzelne Fotos.

Ich verhalte mich nicht anders. Wenn ich ein neues Buch in die Hand nehme, schaue ich mir zuerst Fotos, Bilder und Illustrationen an, wenn denn das Buch solche Seiten mit besserer Papierqualität aufweist. Ich habe das schon immer so gemacht. Nur bei Bildbänden funktioniere ich anders. Da orientiere ich mich zuerst auf der sprachlichen Ebene über Inhalt und Struktur des Buches, um nicht im Bildersturm unterzugehen.

Dieser Blog ist auch ein soziales Medium. Man kann da so allerlei. Es gibt auch eine Statistik, wo alle Klicks gezählt werden und die Herkunft der Besuchenden nach Ländern dargestellt wird. So kann ich mir in den Sommerferien ungefähr vorstellen, wer wo in den Ferien weilt. Kommentare habe ich noch keine erhalten. Vielleicht räumt man mir das Privileg ein, einfach meine Meinung zu sagen und mich wenig um die Meinung von anderen zu kümmern, oder es war einfach zu heiss. Wenn es dann kühler wird, werde ich mir eine Bilderpolitik zulegen. Zur Zeit tobt noch ein Bilderstreit in mir, der nahtlos an die Kirchengeschichte anschliesst. Ich rede dem Wort das Wort, bin aber ikonodul. Ich wehre mich gegen die Ausschliesslichkeit eines heiligen Buches, aber befürworte die bildliche Darstellung auch des Göttlichen.

Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott: So wird üblicherweise aus dem Johannes-Evangelium zitiert. Die Interpretation dieser sprachlogisch vertrackten Aussage fällt dann ziemlich unterschiedlich aus. Die dogmatische Auslegung sieht darin einen Beweis für die Trinität des christlichen Gottes, wobei dann die Personalität des heiligen Geistes unter den Pfaffen wieder zu Diskussionen Anlass gibt. Am besten gefällt mir Friedrich Pfäffleins Übersetzung des Johannes-Textes aus dem Griechischen: „Am Anfang war das Wort. Das Wort wartete auf Gottes Wink und war von göttlicher Wucht.“ Das Wort, im griechischen Original „logos“, war vor der Schöpfung da. Durch das Wort ist alles ins Dasein gerufen worden. In den heiligen  Sanskrit-Texten finden wir eine Entsprechung: Alles kommt aus der Urvibration, welche im Wort „OM“ weiterschwingt. Ob Olympique Marseille darum so göttlich Fussball spielt?

Bilder hinterlassen Eindrücke, Sprache verschafft Einsichten. Das Bewusstsein, das sich selbst wahrnimmt, ist sprachlicher Natur. Sprache ist Kreator, wir die Kreatur. Giwi Margawelaschwili, ein georgischer und deutschsprachicher Literat, nennt das Ontotextologie: Text bestimmt unser sein. Den Beleg dafür bekam ich per SMS: „Das Sein waltet und west frei“, ein Satz aus Heideggers „Sein und Zeit“. Solche Sätze hinterlassen bei mir sprachloses Glück.

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